Info Kästchen

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Es stehen zwei neue Episoden der Kriegerin in den Startlöchern.
Derzeit lese ich die Episode Korrektur, die bereits Dezember 2016 geschriebenen wurde.
Was sich aber leider auf Grund von Schlafstörungen und damit einhergehenden Konzentrationsstörungen noch ein wenig hinziehen kann :/.

Deswegen: Gesucht werden: 1 - 2 Beta-Leser/innen!

Sehr gute Kenntnisse der alten UND neuen deutschen Rechtschreibung etc. (für den Fall, daß …),
sowie Libre bzw. Open Office & Skype (o.ä.) benötigt!
Was Du mitbringen mußt?
Zeit, Spaß bei dem Lesen und Interesse für Fantasy bzw. Epik,
aber auch gute Ideen für Verbesserungsvorschläge (kosmetischer Natur ;) ),
so wie ein gutes "Händchen" für das Thema. Einfühlungsvermögen nennt man das glaube ich ...
Da die Geschichten der Kriegerin von mir nicht am Fließband geschrieben werden,
kann es auch mal Monate oder bis über ein Jahr dauern, bis eine neue Episode von mir geschrieben wird.
Gibt also nicht immer etwas von mir zu tun ;).

Bei Interesse bitte via PN mit Angabe einer EMail/Messenger Adresse bei mir melden.

Samstag, 28. Juli 2012

Die Kriegerin - Die Rückkehr der Kriegerin - Version 2012©


Bei dieser Geschichte bitte den Flash Player oben auf der Seite ausmachen! Musik läuft im Hintergrund.
Anmerkung: Mit diesem Lied habe ich die Geschichte geschrieben ;). Vielleicht kommt so besser rüber, was für mich schwer zu beschreiben ist.
Ersehnte Rückkehr

© by DVH 2012



Sie trugen ihren Körper ins Lager. Die Arme hingen seitlich herunter. Neben ihr ging ein mehr als zerknirschter jung aussehender Mann. Mit seinem gesunden Auge sah er immer wieder auf die leblose Hülle jener, die er geschworen hatte mit seinem Leben zu beschützen. Wie sollte er sein erneutes Versagen erklären? Wie rechtfertigen?
„Nein. – Nein. Nicht schon wieder.“ Er hob den Kopf und sah die schlanke Gestalt, die in einem Gewand der Priesterin gekleidet war. Es behagte ihm nicht, das sie ihnen entgegen gekommen war. Als wüßte sie, das etwas nicht mit der Herrin in Ordnung war. Ihm wäre es lieber gewesen, er hätte noch einen Augenblick mehr Zeit gehabt um sich zu sammeln und die richtigen Worte zu finden, die sein Versagen irgendwie erklärten.
„Man hat sie außerhalb des Lagers gefunden.“, hob einer der Träger an, zu sprechen, schwieg aber schnell wieder, als ihn der wütende Blick der Priesterin traf. Sichtbar nervös trat der Mann von einem Fuß auf den anderen. Sie sah den einseitig geblendeten jungen Mann scharf an. „Du hast es versprochen. – Du hast versprochen sie mit deinem Leben zu beschützen. Wie all die anderen hier auch.“ „Ich weiß, aber ...“ „Wie konntest du Otorio? Wie konntest du sie auch nur einen Augenblick aus den Augen lassen? Du hast einen Eid geleistet, vor mir und all den anderen sie um jeden Preis zu beschützen. Du wußtest wie kein anderer wie sie ist. Genau deswegen bist du ihre Leibwache, deswegen habe auch ich dich als ihre Leibwache akzeptiert. Ich werde meine Entscheidung wohl noch einmal überdenken müssen.“ Er hob zu sprechen an, senkte dann aber schweigend den Kopf. Was er auch immer vorbrachte, es würde seine Schuld, sein unverzeihliches Versagen nicht mindern. Er hatte nicht aufgepaßt, zu sehr darauf vertraut, das er wach würde, wenn sie sich regte. Ja, er wußte genau wie sie war. Keiner von denen die sie geleitet hatten, kannte die Herrin besser als er. Er hatte genaue Anweisung von der Priesterin bekommen sie zu keiner Zeit aus den Augen zu lassen, gerade weil sie für ihre riskanten Alleingänge bekannt war. Sollte sie irgendwelche Anstalten machen, wieder einen ihrer Alleingänge starten zu wollen, sollte er sie unter allen Umständen daran hindern. Sie hatte zwar ihren eigenen Kopf, aber auch gelernt auf ihn und seinen Rat zu hören. Manchmal traute er sich nur nicht, sie zurückzuhalten, sie war schließlich seine Herrin.
Sie hatten ihr Lager erst aufgeschlagen, nach dem sie sich versichert hatten, das keine Feindaktivitäten in sichtbarer Umgebung und dem weiteren Umfeld bestanden. Bisher war ihre Mission ohne größeren Zwischenfall verlaufen. Otorio wollte sicher gehen, das das auch so blieb und seine Herrin sicher bei der Priesterin abliefern. Als er sie gefunden hatte, lag sie im Dickicht einen Steinwurf von ihrem Nachtlager entfernt. Ihr Körper atmete noch, aber sie war nicht mehr da.
Er hatte zu dem bewölkten Himmel gesehen und stumm geschrien. Regen fiel auf sein Gesicht, als er ihren Körper vorsichtig hoch hob. Er wußte nicht, was geschehen war. Er wußte nicht, wie es geschehen war. Nichts deutete auf einen Kampf hin. Nirgends waren Spuren zu sehen. Kein Hinweis auf das zu finden was ihr geschehen war oder gar einen Rückschluß zuließ. 

„Du warst für sie verantwortlich.“ Man sah in ihrem Gesicht deutlich, wie sehr sie sich mühte ruhig zu bleiben. Jeder in naher Umgebung rechnete damit, das sie ihn schlug. „Ich weiß, aber du ...“ „Wir wissen alle wie sie ist. Ist es wirklich so schwer für dich, einen einfachen Auftrag, wie sie sicher zu mir zu geleiten und sie nicht aus den Augen zu lassen auszuführen? Und du willst ihre Leibwache sein?“ Er hatte die Priesterin noch nie wütend erlebt. So wütend, das er damit gerechnet hatte von ihr geschlagen zu werden. Stattdessen ließ sie ihn beschämt mit einem vernichtenden Blick stehen um den Körper seiner – ihrer Herrin zu untersuchen. Danach wies sie die Träger an, den leblosen Körper in das Sanitätsgebäude zu bringen. „Wir sind noch lange nicht fertig.“ Was ich befürchtet habe, dachte er mehr als zerknirscht. Das er so versagt hatte, würde er sich niemals verzeihen. Schon damals konnte er sie nicht beschützen. Es schien sich zu wiederholen. Er liebte seine Herrin über alles und würde nur zu gerne sein Leben für sie geben, wenn sie dadurch in Sicherheit war. Wie konnte er seine Schuld vor undenkbar langer Zeit je begleichen?
Sie folgte den Männern mit der Trage. Otorio hielt es für ratsam es nicht zu tun. Er wollte die Priesterin nicht noch wütender machen. Vielleicht würde sie sich wieder beruhigen, auch wenn er da so seine Zweifel hatte. Bevor sie in das Gebäude ging, in dem die Herrin getragen wurde, traf ihn noch einmal ein wütender und vorwurfsvoller Blick. Nein, sie würde sich nicht so schnell beruhigen. Es war ratsam ihr erst einmal aus dem Weg zu gehen.

„Ich mache das nicht noch einmal durch.“ Eine breite Hand legte sich sanft auf ihre Schulter. „Damals konnte ich nichts tun. Nur zu sehen wie sie ihre Hülle und die vieler anderer wegbrachten.“ Er sah sie sanft an. „Damals ist nicht heute. Damals standen die Dinge anders, damals waren wir isoliert worden, damit wir nicht dazwischen gerieten.“ Sie schüttelte wütend den Kopf und seine Hand ab. „Ich sehe nicht noch mal zu. Ich verliere sie nicht noch einmal auf diese Art.“ Sie sah auf den Körper jener, die ihr genauso viel bedeutete, wie der Mann an ihrer Seite. „Wir finden einen Weg, Naraja.“ Die Frage was ihr geschehen war, konnte keiner klären. Hier war nur ihr Körper, aber – wo war sie? Wo war sie? Oh ihr Götter. Sie betete und hoffte inständig, das sie nicht wieder eine Gefangene jener Mächte geworden war, der sie die Stirn boten.

„Wie ist ihr Zustand?“ „Stabil.“ Dunkelheit die sie umfing. Stimmen wie Flüstern, wie ein Rauschen. So Nah und doch so fern. Sie will den Mund öffnen um zu sprechen, aber nur ihr Mund öffnete sich ohne einen Klang. Langsam kam sie zu Bewußtsein. „Ah. Sie wacht auf.“ Jemand legte etwas an die Seite und kam zu ihr. Er war sehr nah, das spürte sie. Als sie langsam die Augen öffnete war es so grell, das sie die Augen wieder schließen mußte. „Dimm doch bitte das Licht. Es ist zu hell für sie.“ „Ja sofort.“ Abwartende Stille. „Jetzt müßte es besser sein.“ Sie öffnete die Augen wieder, dieses Mal hob sie gleichzeitig ihren Arm um ihre Augen abzuschirmen. Sie spürte ein Lächeln. „Keine Sorge. Es ist alles in Ordnung. – Verstehst du mich?“ Sie nickte kurz. „Das ist gut.“ Sie richtete sich langsam auf, versuchte es. Ein Wesen halb so groß wie sie, drückte sie erst wieder zurück. Dieses Wesen nahm sie erst sehr verschwommen wahr, bis sich ihre Augen angepaßt hatten und die Sicht schärfer wurde. „Warte noch einen Moment, bevor du dich aufrichtest. Dein Körper muß sich erst wieder daran gewöhnen und sich stabilisieren. Er hat sehr lange geschlafen.“ Sie sah sich um. Ein kurzer schneller Blick verriet ihr, das sie in einem sehr fortschrittlichen Raum war. Seltsamerweise fürchtete sie sich nicht im Geringsten. Das Gegenteil war eher der Fall. Sie fühlte sich seltsam beschützt.
Sie hob ihren Arm und betrachtete ihn genauer. Wieso war er fast weiß? Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und richtete sich auf. Dabei wurde sie von dem Wesen an ihrer Seite gestützt. Irgendwie kam sie sich vor, als hätte sie sehr lange geschlafen. Er – es? – sah aus wie ein Wissenschaftler oder ein Mediziner, Heiler. Er trug weiße Kleidung. Seine Haare liefen spitz zur Seite nach oben. Die Mitte seines Kopfes war kahl. Seine Haut hellgrau oder bläulich? Er selber ließ sich nicht für sie beschreiben. Im ersten Moment nicht, aber sie wußte, sie mußte ihn kennen. Er reichte ihr eine schmale Hand mit drei Fingern. „Komm meine Liebe.“ Sie zögerte. „Keine Sorge, wir haben zwar lange gebraucht, aber dein Körper ist nach wie vor intakt.“ Mein – Körper? „Du wirst wohl erst mal Zeit brauchen, bis du dich umgewöhnt und wieder an deinen alten Körper angepaßt hast.“ Er streckte seine Hand aus und erhielt einen Spiegel, den er ihr vor hielt. „Sieh selbst.“ Ein wenig unbeholfen nahm sie den Spiegel in ihre Hand, die schwach zu sein schien. Seine Reflexe waren ausgesprochen schnell. Bevor der Spiegel ihrer Hand entglitt, umfaßte er sie sanft, aber mit festem Druck. Langsam hob er ihre Hand soweit mit ihr an, das sie in den Spiegel sehen konnte. Ihr blickte ein schmales Gesicht entgegen, aus dem strahlend blauen Augen sie ansahen. Sie waren eisig und doch warm. Das Gesicht hart und doch weich. Sie hob fassungslos mit offenem Mund den Kopf, wenn sie hätte weinen können, sie hätte es getan.
Mit einem Mal erinnerte sie sich wieder – an alles. An das Gestern, das Heute und das, was Morgen sein würde. Sie erinnerte sich, das sie das Lager verlassen hatte, weil sie etwas Verdächtiges gehört hatte. Da sie niemanden aufwecken wollte war sie selber gegangen um nachzusehen. Dann war da nur noch ein grelles Licht und dann – war sie hier in einer Art gläsernen Sarg zu sich gekommen. Er lächelte. Es schien, als wäre er ihren Gedanken gefolgt. „Das ist kein Sarg. Das ist eine Lebenskammer. Sie hat deinen Körper all die Jahrhunderte, Jahrtausende am Leben gehalten. Bis wir endlich einen Weg gefunden hatten, wie wir dich in deinen Körper zurück bringen können und damit unser Versprechen erfüllen konnten. Deine Muskulatur ist genauso wie an dem Tag, als du deinen Körper verlassen hast. Es wird sein, als hättest du nur zu lange geschlafen. – Ich rate dir, deine Muskulatur langsam wieder aufzubauen und nicht zu viel die erste Zeit von deinem Körper zu fordern. Gewöhne dich erst wieder an ihn. Du mußt ihn auch erst neu kennen lernen, da du lange von ihm getrennt warst.“ Während er sprach, hob und senkte sie ihre Arme, beugte und streckte sie. Schloß und öffnete die Hände. Alles wirkte ein wenig steif. Es würde dauern, den Körper wieder so geschmeidig zu kriegen, wie er mal war – bevor sie diesen langen unfreiwilligen Schlaf gehalten hatte. (Das war es dann mit Essen und Tee trinken.), dachte sie lakonisch. „Wir können ...“ Sie deutete ein Lachen an, aber ihr Blick war ernst. (Nein, nein. Es ist gut so wie es ist. Alles andere wäre falsch. Das einzige Problem dürfte die Luft für mich werden. Die Luft hat sich in all den Jahrtausenden sehr verändert, die Teile in ihr sind schädlich. Sie sind wie Gift für mich.) Er sah begreifend zu ihr hoch. „Verstehe. Wir werden eine Möglichkeit finden.“ Die Wände der Lebenskammer glitten herunter. „So dürfte dir das Aufstehen leichter fallen.“ Sie wandte sich so, das ihre Beine über die Kante schwangen und sie mit den Füßen geräuschvoll auf dem Boden aufkam. Überrascht sah sie an sich herunter. Wieder hob sie die Arme. Erst jetzt wurde ihr richtig gewahr, das sie voll bekleidet war … wie … Sie hob begreifend, aber auch erkennend den Kopf. In ihrem sonst so ausdruckslosem Gesicht machte sich deutliches Erstaunen breit. Das Wesen lächelte. „Wir haben nichts verändert. – Mit einer Ausnahme.“ (Welcher?) „Ich werde es dir zeigen, wenn du sicher auf deinen Beinen gehen und stehen kannst.“ Da sie nicht dafür bekannt war sich zu schonen und äußerst hartnäckig, mitunter verbissen zu sein, wollte sie es schnell hinter sich bringen. Ihren alten Körper schnell wieder beherrschen. Die ersten Gehversuche waren unbeholfen und endeten mit einem Sturz auf die Nase. Die Hand die ihr aufhelfen wollte, lehnte sie mit einem Kopf schütteln ab. (Ich muß es alleine schaffen. Aus eigener Kraft.) Sie stützte sich auf die Arme auf und versuchte es erneut. Aufgeben oder sich gar ausruhen kam für sie nicht in Frage. Sie war nicht dafür bekannt aufzugeben. Die Zeit drängte. Ihre Freunde brauchten sie. Das Wissen gab ihr die Kraft, den Antrieb und den unbeugsamen Willen, den sie brauchte. Oft fiel sie hin, strauchelte, aber sie gab nicht auf. Sie versuchte es immer wieder. Und mit jedem Mal wurde sie sicherer.
Bis sie wieder die gewohnte Sicherheit hatte, würde es eine Weile dauern. Angebotene Hilfe lehnte sie höflich, aber bestimmt ab. In ihrem Blick strahlte die Entschlossenheit wider es alleine schaffen zu wollen. Die Anwesenden schüttelten oft den Kopf ob ihrer Sturheit, ließen ihr aber ihren Willen. Sie boten jedoch versteckt Hilfe.

Einige Tage später folgte sie dem kleinen Wesen durch gleich aussehende Gänge, von denen sie wußte, das sie nicht gleich waren. Jeder Gang, jeder Korridor hatte seine Eigenarten. Mit einer Hand strich sie die Wände entlang. Dabei schloß sie die Augen. Sie war stehen geblieben. Spürte das Pulsieren, das fließen der Energie. „Hier entlang meine Herrin.“ Die Stimme des Wesens war sehr geduldig. Nicht drängend. Es war, als schien er zu wissen wie es ihr gerade in dem Moment erging.
Alles war anders. Die ganzen Sinneseindrücke anders, intensiver, lebendiger. Das mußte alles erst einmal verarbeitet werden. Sie trat an die Fensterreihe um nach draußen in die tiefe Dunkelheit des Weltalls zu sehen. Hier war sie zu Hause, von hier war sie gekommen. Ihr Blick wanderte langsam von der tiefen Dunkelheit zu dem Planeten über dessen Orbit der große Raumer kreiste. „Meine Herrin? Ich weiß, es muß nach all der Zeit überwältigend für Euch sein, aber Ihr habt wenig Zeit Euch daran zu gewöhnen.“ Sie wandte sich dem kleinen in weiß gewandeten Wesen zu und nickte. Bevor sie ihm weiter folgte, warf sie noch einen Blick auf diesen Planeten – diese bläulich leuchtende Kugel.
Der kleine Mann hielt vor einer großen Tür, die auf einen Fingerdruck von ihm leise zur Seite glitt. „Leider konnten wir mit Eurem Pferd nicht genauso verfahren, wie mit Euch. Es hat bis zu seinem Tod über Euch gewacht und wich Euch keinen Schritt zur Seite.“ Sie sah ausdruckslos zu ihm herunter. „Wir haben gedacht, damit Ihr Euch nicht so einsam fühlt, das wir – seht selbst.“ Er streckte seinen kleinen dünnen Arm nach vorne aus. Sie folgte seinem Arm, über einen von Heu ausgelegtem Boden, zu einem großen schwarzen Tier, das ungeduldig zu warten schien. Seine aufmerksamen schwarzen Augen ruhten abwartend auf ihr. Es schnaubte, scharrte ungeduldig mit den großen breiten Hufen und sah sie an. Es legte seinen Kopf an, als wollte es gleich in einen Kampf ziehen. „Wir haben versucht Euren Hengst zu züchten. Er entstammt einer langen Reihe. Sein Ursprung ist Euer Hengst. Wir haben seine Nachfahren stets an eure Seite gebracht. Solltet Ihr eines Tages ohne unsere Hilfe in euren Körper zurück finden und aufwachen, so wäre wenigstens ein Gefährte aus vergangenen Tagen an eurer Seite. Ihr wärt nicht so einsam und verlassen gewesen.“ (Wie ist sein Name?) „Wie der Name seines Vorgängers, und dessen Vorgänger.“ (Sturmwind.) Ihr Herz schlug höher, als sie mit ausgestreckter Hand auf das mächtige Tier zuging, das mit seinem Huf kräftig aufstampfte und den Kopf hoch und runter warf.

Nach dem Besuch bei Sturmwinds Nachkommen gingen sie wieder den Korridor entlang. (Meine Rüstung?) Er sah bedauernd zu ihr hoch. „Wir haben Eure Rüstung und Euer Schwert damals der Herrin von der heiligen Insel übergeben. Es war der Wille der großen Frau, das Eure Rüstung als auch Euer Schwert dort aufbewahrt werden. Wir haben, bevor wir eure Rüstung übergaben, eine Kopie davon angefertigt, damit ihr Eure Würde behaltet. – Irgendwann entfernte man die Rüstung jedoch und bewahrte sie auf. Erst stellten wir sie aus, bis wir das als ehrlos Euch gegenüber erkannten, da Ihr ja noch lebtet Euer Körper nicht tot war, sondern nur schlief. Unsere Vorfahren brachten sowohl Euch als auch Eure Rüstung an einen abgelegeneren sicheren Ort. – Wir forschten unermüdlich weiter nach einem Weg wie wir Euch und die anderen wieder in Eure Körper zurück bekamen.“ (Die anderen?) Das kleine Wesen nickte bedächtig. „Alle von einst sind hier. – Doch Euch sollten wir zuerst zurück holen. Ihr seid wichtiger.“ Ihre Augen verengten sich kurz. (Wie üblich, dabei sehe ich das anders.) „Es war der Wunsch und die Anweisung der großen Frau.“ (Große Frau?) Er hielt kurz inne wiegte bedächtig seinen kleinen runden Kopf hin und her als würde er überlegen. „Ihr nanntet sie Göttin, oder Mutter.“ (Mutter? Ich nannte sie sicher nicht so. Reicht schon wenn ich mich mit der Tochter herum schlagen muß.), dachte sie nicht ohne Spur von Humor. Sie wußte jedoch nun, wer gemeint war.
Sie betraten eine Kammer. Vor ihnen auf einem Gestell war die Rüstung von der er gesprochen hatte. An der Seite war ein Bett. „Sie ist aus einem ähnlichen Material wie Eure Rüstung.“ Sie begutachtete jedes einzelne Teil der Rüstung, untersuchte es akribisch. Schließlich trat sie zufrieden nickend zurück. (Sie wird ihren Zweck erfüllen – denke ich.) „Nur ein Schwert wie Eures damit können wir nicht dienen. Wir können Euch nur eine Rüstung und den Nachfahren Eures Hengstes geben.“ (Das reicht vollkommen aus. Mein Schwert wird seinen Weg zu mir finden, denn ich bin seine rechtmäßige Trägerin. Außer mir wird es niemanden sonst akzeptieren oder sich gar von jemanden anderen denn mir führen lassen.) Sie sah das kleine Wesen an und neigte leicht den Kopf, als Zeichen des Dankes. (Denn niemand anderes als ich hat ein Anrecht darauf das Schwert zu tragen oder zu führen.) Ihr Blick wanderte durch das kleine Fenster zu der blauen Kugel.

Als sie ihre Rüstung mit gekonnten Griffen anlegte versuchte sie in Gedanken noch einmal alles in die richtige Reihenfolge zu bringen, zu ordnen. Die Ereignisse hatten sich für sie förmlich überschlagen. Zurecht kam sie damit nicht. Noch weniger brachte sie das alles auf die Reihe. Es war zu viel für sie und ihren Verstand. Leider blieb ihr wenig Zeit das alles richtig zu verarbeiten. Es war niemand da, mit dem sie hätte reden können. Reden... Reden war in der Form nicht mehr möglich. Im Gegensatz zu vielen Lebewesen besaß sie keine Stimmbänder. Auch da mußte sie schnell wieder lernen wie sie sich allen oder einzelnen Personen oder Wesen mitteilen konnte. Das alles gestaltete sich nicht ganz so einfach. Die kleinen Wesen halfen ihr so gut sie es vermochten – und sie es zuließ, aber bei ihren Sorgen und damit, das sie überfordert war, konnten sie ihr nicht helfen. Sie war auf sich allein gestellt. Da war keine Gefährtin, kein Freund der für sie da sein konnte.
Ihr Blick wanderte über die einzelnen noch nicht angelegten Teile ihrer Rüstung. Mit den Fingern fuhr sie über das Emblem das auf der Brustplatte prangte. Diese Rüstung war einst für sie hergestellt worden, nach ihren Angaben – als Geschenk zu ihrer Krönung. Eine Scheinkrönung, wie sie bitter dachte. Denn die wahre Macht hatten andere. Ich war nur die Strohpuppe. Gut genug um zu schützen. Eine Marionette. Ihr Blick war düster geworden. Und was hatte sich seit dem verändert? Nicht viel. Sie war noch immer eine Marionette. Schlimmer noch, sie wurde als Waffe, nicht als Lebewesen angesehen. Sie legte die Stulpen an und schob sie hoch. Mit schnellen sicheren Griffen befestigte sie ein Teil nach dem anderen. Zum Schluß befestigte sie den strahlend blauen Umhang mit ihrem Emblem. Widerwillig nahm sie den Helm auf. Kurz betrachtete sie ihn. Sie hatte nie einen getragen, auch nie einen anfertigen lassen. Vermutlich hatten sie gedacht, das der Helm im Kampf verloren gegangen sein mußte und fertigten selber einen an. Das Material ihrer Rüstung war leicht, aber robuster als so manche Rüstung die den Menschen bekannt war. Deren Rüstungen waren klobig und schränkten in der Bewegung ein. Ihre war leicht und wendig. Flexibel -- und äußerst widerstandsfähig.
Mit dem Helm unter dem Arm ging sie schließlich zu dem Hangar, wo bereits der schwarze Hengst auf sie wartete. Es war lange her. Auch wenn sie sich erinnerte, als sei es gestern gewesen, wußte sie doch – es war nicht so. Viele Jahrhunderte, Jahrtausende, Jahrmillionen waren vergangen. Je näher sie dem Hangar kam, desto kräftiger und entschlossener wurden ihre Schritte, ernster ihr Blick. Kurz dachte sie an jene, die sie ihre Gefährtin genannt hatte. Wie würde sie sich wundern. Sie mußte denken, das sie tot oder schlimmer – gefangen war. Wegen ihr kehrte sie zurück. Sie wollte nicht, das jene sich noch weiter Sorgen um sie machte oder gar um sie fürchtete.
Der Hengst stieß ihr mit dem Kopf gegen den Brustharnisch. Sie lächelte leicht und strich ihm über die Stirn, bevor sie die Augen schloß und ihre Stirn an seine legte. Sie spürte seine Kraft, seine Ungeduld, aber auch seine Sanftheit und seine Liebe. Die Liebe und Treue zu seiner Herrin. (Nun gut Sturmwind. – Bist du so weit?) Der Hengst schnaubte und stieß sie sanft mit dem Kopf leicht an. (Dann erweise deinem Urahn Ehre.) Das helle, fast weiße lange Haar steckte sie hoch, bevor sie sich den Helm aufsetzte, der nichts weiter von ihr Preis gab als die blauen Augen, und schwang sich in den Sattel. Kaum im Sattel richtete sich der Hengst wiehernd auf, schlug mit einem seiner vorderen Hufen aus, bevor er sich wieder runter ließ. Er atmete hörbar. Sie spürte seine Spannung. (Noch nicht mein Freund. Noch nicht.) Sanft, beruhigend klopfte sie auf sein Hals. Ihr Blick sah nach vorne. Jetzt konnte sie nur noch warten. Ein wenig mulmig war ihr schon. Würde es sich wiederholen?

Die Erde bebte. Die Luft vibrierte. Die Leute liefen aus ihren Häusern um sich aus den wackelnden Häusern in Sicherheit zu bringen. Die Erde zitterte unter ihren Füßen.
„Da! Da kommt was.“ Sie stürmten alle aus den Gebäuden und griffen zu den Waffen. Ein Mann mittleren Alters stand mitten auf dem Platz und zeigte mit dem ausgestreckten Finger auf den stark bewölkten Himmel. Er war stärker bewölkt als es sonst der Fall war. Die Priesterin und ihr Gefährte kamen langsam aus dem Sanitätsgebäude. Die Luft um sie herum vibrierte. Unschlüssig warf sie einen Blick zurück. Sie wollte sie keinen Augenblick aus den Augen lassen. Die Gelegenheit war günstig, das man sich ihrer ganz entledigen würde. Selbst in diesem ihrem Lager konnte es Feinde oder noch schlimmer – Verräter – geben. Seit Tagen hatte sich der Zustand des Körpers nicht gebessert. Trotz aller Möglichkeiten die sie hatte, die sie auch von ihrer Herrin gelernt hatte – die Seele ihrer Herrin hatte sie nirgendwo gefunden. Als wäre sie … daran wollte sie gar nicht denken. Sie verbot es sich, das weiter zu denken. Tief in ihr war die Gewißheit, das sie noch lebte. So lange es da nicht anders war, wollte sie auch nichts anderes denken.
Als es dunkler wurde hob sie den Kopf. „Was im Namen …?“ Was sie sahen, verschlug ihnen allen die Sprache. Mit einem schnellen Blick übersah sie kurz die Lage. Die Leute liefen teilweise schreiend und in Panik durch die Gegend. Rannten sich gegenseitig über den Haufen oder krochen über den Boden um sich vor den Füßen derer in Sicherheit zu bringen, die nur nach oben aber nicht auf den Boden sahen. Mütter nahmen ihre Kinder schützend in ihre Arme. Einige fielen über die schon Liegenden. Entweder blieben auch sie liegen und hoben die Arme über den Kopf um sich vor Füßen oder anderen Dingen zu schützen oder krabbelten in Panik davon, wenn sie nicht wieder von anderen umgestoßen wurden. Wie paralysiert blieben einige liegen. Andere starrten voller Faszination oder Entsetzen zu dem großen schwarzen Klotz, der sich langsam herabsenkte, die Gebäude über ihnen und die Erde unter ihnen mit einem gewaltigen Druck erzittern ließ.
An einigen Stellen weinten Kinder oder riefen nach ihren Eltern. Schnell war jemand bei ihnen, riß sie förmlich mit sich, schützend in den Armen haltend und brachten sie in den Schutz des nächst gelegenen Gebäudes wo ihnen nichts geschehen würde. Meistens blieb ein Erwachsener bei ihnen um auf sie zu achten. Es war egal ob es die eigenen Kinder waren oder nicht. Sie brauchten Schutz, denn niemand würde auf sie in diesem heillosen Durcheinander achten. Naraja beobachtete dies alles mit gemischten Gefühlen. Ihre Herrin hatte vieles in dem Bewußtsein anderer verändert, auch den Umgang miteinander. Vorher wäre so etwas undenkbar gewesen.
„Das träume ich doch wohl nur?“ Die Priesterin sah zu dem Gebäude zurück in den Gang hinein, dann ging sie zögernd die Stufen auf den Platz runter. Irgendwie war sie seltsam gefaßt. Leicht schüttelte sie den Kopf, während sie weiter das Absinken des großen Quaders beobachtete. (Kann es sein? Nach all der Zeit?) „Was ist?“ „Hilf mir die Leute ruhig zu halten. Keiner darf einen Schuß abgeben oder sonst irgendeine Feindseligkeit zeigen. Sie müssen unter allen Umständen ruhig bleiben!“ In der Menge begegnete ihr der Blick Otorios. Der nickte kurz und handelte sehr schnell. Er wußte, was zu tun war. Sie sah wie Otorio durch die Menge glitt und die erhobenen Gewehre runter drückte, anfing jeden zu entwaffnen der dem Wahnsinn nahe war und zu einer Gefahr werden konnte, Männer von in Stellung gebrachten Kanonen weg stieß. Schnell war er in Gesellschaft. Seine Gefährtin und ein paar andere aus dem engeren Kreis ihrer Herrin waren bei ihm. Sie sah wie er kurz mit ihnen sprach, dann teilten sie sich auf. Sie hatten alle Hände voll damit zu tun, jemanden egal wen von einer Überreaktion abzuhalten, die mit Panik einherging.
Manchmal war sie erstaunt, wie schnell er reagierte und, das er tatsächlich das Vertrauen ihrer Herrin genoß. Sie ihn an ihrer Seite nicht nur tolerierte, sondern auch akzeptiert hatte. Es schien als habe er ein außerordentlich gutes Gespür für seine Herrin und ihre Gedanken, deswegen war auch sie einverstanden gewesen, das er ihre Leibwache blieb. Er war zuverlässig und seiner Herrin gegenüber loyal. Loyalität war das was ihre Herrin brauchte, wenn man davon absah, das er in diesem einen Fall versagt hatte. Was noch für ihn gesprochen hatte war, das er eine Verbindung zu ihr hatte. Eine Verbindung hatte auch sie zu ihr, auf einer anderen, intimeren Art, deswegen wußte sie auch, das sie noch lebte. Wäre es nicht der Fall, hätte sie es gespürt. Zu jeder Zeit wußte sie, wie es ihrer Herrin ging. Doch in diesem Fall schien sie vollkommen verschwunden zu sein, nur ihr Gespür sagte ihr, das sie noch lebte. Die Frage war nur, wo?
Otorio bewies in diesem Moment, das er nicht nur ein Gespür für seine Herrin hatte. Er schien genau zu wissen, was die Hohepriesterin für ein Anliegen hatte, denn er handelte in ihrem Sinne, aber auch im Interesse aller. Sie hatten keine Zeit zu Zögern. Sie alle mußten schnell handeln.
Das mächtige Mutterschiff glitt langsam über eine unbewohnte Ebene vor dem Lager runter. Sie alle ruhig zu halten, war eine mühsame Angelegenheit, aber wenn auch nur einer etwas unbedachtes tat, hätten sie alle ein mächtig großes Problem. Sie brauchten nicht noch einen Krieg. Der Krieg den sie zur Zeit führten, reichte vollkommen aus. Er hatte schon genug Opfer gefordert.
So lange keiner wußte was sie wollten, mußten alle ruhig bleiben. Selbst wenn sie in feindlicher Absicht kamen, verloren hätten sie in jedem Fall. Eigentlich war allen bewußt, das sie keinerlei Chance gegen etwas so Gewaltiges hatten. Wer so etwas bauen und steuern konnte, war dieser Rasse weit überlegen, aber diese Rasse war dafür bekannt, nicht aufzugeben. Sie alle würden bis zum bitteren Ende kämpfen, egal wie aussichtslos die Lage war.
Sie legte die Hand auf ein Gewehr von jemanden der neben sie trat und drückte es mit dem Lauf zu Boden, dabei schüttelte sie den Kopf um ihm die Bedeutungslosigkeit des Unterfangens klar zu machen.
Die erfahreneren Kämpfer hatten in diesem Krieg schon vieles erlebt und gesehen, das jedoch überstieg ihre Vorstellung bei Weitem. Vielen rutschte ihr sonst so mutiges Herz bei dem Anblick dieses riesigen schwarzen Quaders in die Hose.
Schließlich hielt der große Quader an. Lange Zeit geschah nichts. Der Raumer behielt seine Position. Die Luft um sie herum dröhnte in ihren Ohren. Unruhe und Nervosität machte sich im ganzen Lager breit, aber auch die Hoffnung, das jene dort in dem Ding keine Feinde waren da sie sich bis jetzt ruhig verhielten.
Die Minuten verstrichen quälend langsam, so daß bei einigen die Nerven blank lagen, als sich endlich etwas tat. Vieler Orts wurde der Atem angehalten als ein kleiner Quader sich löste. Arme wurden nach oben gestreckt und darauf gezeigt. Zuerst war er kaum zu sehen, nur eine Bewegung zu erkennen, aber dann sah man es immer deutlicher und größer werden. Vermutlich eine Fähre, dachte die Priesterin. Die Spannung war beinahe greifbar.
Schweigend, aber angespannt beobachteten sie wie der kleine Quader näher kam und herab sank. Die Luft wurde nieder gedrückt. Alles was in dem Luftsog war wurde weg gewirbelt. Füße fuhren aus. Langsam setzte der Block auf dem großen Platz zur Landung an. Auch wenn das nur eine Fähre war, hatte es trotzdem eine enorme Größe und fand gerade eben so Platz dort wo die meisten Leute versammelt waren.
Mit leicht verengten Augen sah sie zu dem Mutterschiff, das sich ruhig verhielt. Der Himmel über ihnen war schwarz, mit vereinzelten Lichtpunkten. Wieder mußten sie einige Zeit warten. Aus einem unbestimmten Grund mußte sie leise lächeln. „Was ist mit dir?“, raunte sie ihr Gefährte an. Sie schüttelte den Kopf. „Ich mußte gerade nur an etwas denken.“ Es gibt nur eine Person, nur ein einziges Wesen, das so einen Auftritt hinlegen kann. Aber, war sie es wirklich? Ihr Gespür für ihre Herrin schwieg. An den Absichten dieser Wesen hatte sie keinerlei Zweifel. Waren sie gekommen, würden bald auch die anderen kommen. Sie konnte jetzt nur warten um Gewißheit zu erlangen.
Schließlich ertönte eine Art zischen.
Auf dem Platz ließen sich einige der mutigeren Kämpfer auf ein Knie mit angelegten Gewehren nieder. Sie visierten die sich öffnende Luke an, aus der gleichzeitig eine Rampe quälend langsam heraus fuhr und schließlich den matschigen Boden sanft berührte. Für sie selber war diese Spannung kaum noch erträglich. Sie hatte da so eine Ahnung. Sie wollte endlich Gewißheit. Mühsam kämpfte sie sich durch die dichte Menge der Verteidiger. Hinter den knienden Männern und Frauen blieb sie zunächst stehen, als sie ein vertrautes Geräusch aus dem Inneren dieser Fähre vernahm. Zuerst hörten sie ein Klappern, wie von Hufen, mächtigen Hufen, dann sahen sie die Vorderfüße eines schwarzen Pferdes. (Dieses … Ungetüm von einem Pferd …!) „Nicht schießen! Auf keinen Fall Schießen!“ Sie fuhr mit den Armen wild um sich rudernd zwischen die vorderen Reihen, die erhobenen Gewehre mit dem Lauf zum Boden drückend. Die Männer und Frauen sahen irritiert zu ihr hoch, senkten dann aber unsicher mit Blick auf das was da die Rampe runter kam ihre Waffen. Da die Herrin nicht mehr da war, im Koma lag, hatte Naraja die Befehlsgewalt. Es war der Wille der Herrin gewesen. Jeder der ihr folgte hatte diese Entscheidung akzeptiert. Einige richteten sich auf um ihr Platz machen. Sie ging an ihnen vorbei. Sie ahnte, nein, sie wußte wer dort kam. Nach all den Jahrtausenden haben sie ihr Versprechen, welches sie einst ihrer Mutter gegeben hatten, tatsächlich gehalten und sie zurück gebracht. Der Blick, weiterhin nach vorne gerichtet, heftete sich auf die des herannahenden Hengstes, bis sich langsam die Gestalt in silberne Rüstung darauf sitzend preisgab.
Nur anhand der Ausbuchtungen am Brustkorb konnte man erkennen, daß es eine Frau war, eine hochgewachsene Frau auf einem Ungetüm von einem Pferd. Ihre strahlend blauen Augen stachen eisig und doch sanft aus dem silbernen Helm hervor.
Die Priesterin warf einen Blick auf ihre Schultern und lächelte still. (Du wußtest schon immer, wie man einen guten Auftritt hat. Auch, wenn du es nie planst. Du weißt gar nicht, wie du gerade auf die anderen wirkst.)
Am Fuß der Rampe blieb der Hengst kurz stehen. Es war ein imposanter Anblick, der erst einmal verarbeitet werden mußte. Ihr ganzes Erscheinen war voller Würde und Erhabenheit. Langsam setzte sich der Hengst wieder in Bewegung. Als er von der Rampe runter endlich festen Boden unter den Füßen hatte, blieb er erneut stehen. Die Gestalt in der Rüstung rührte sich zunächst nicht. Nur langsam bewegte sich ihr Kopf, als wolle sie sich einen Überblick verschaffen. Die Priesterin spürte was von ihr ausging, wie stark ihre Ausstrahlung war. Es war nicht die Macht, die man fürchten sollte, sondern ihre Ausstrahlung, wie sie auf andere wirkt, dachte sie. Ein kurzer Blick neben ihr, zeigte wie Recht sie hatte. Alle starrten sie an. Sie, die da nur ruhig auf einem Ungetüm von einem Pferd saß, das ab und an schnaubte, mit seinem Kopf nickte, als wolle es etwas zustimmen und ungeduldig mit einem Huf auf dem Boden scharrte. Einige ließen ihre Waffen sinken, fingen an zu leicht zittern. Es würde nicht mehr lange dauern und die ersten ließen sich auf ein Knie – oder beide – vor ihr nieder. Diese Ausstrahlung ließ nichts anderes zu. Und dieses Mal, würde sie es akzeptieren. Dieses Mal würde sie es als das an nehmen, was es war: eine Bezeugung des Respekts, nicht der Unterwerfung. Naraja hatte es ihr mühsam beigebracht. Sie gelehrt, das es nichts mit Demütigung oder Unterwerfung zu tun hat, wenn man sein Knie vor jemanden beugte, den man achtete oder respektierte. Lange hatte es bei ihrer Herrin einen bitteren Beigeschmack erzeugt, wenn sie vor ihr das Knie gebeugt hatte. Nur langsam hatte sie begriffen, daß es anders war, als sie vor der Priesterin gekniet und sie als ihre Herrin und Gefährtin anerkannte hatte.
Die Priesterin sah sich kurz um und fragte sich was in den Köpfen derer die sie umgab vor sich ging. Ob wohl einige dachten, das sie vor einer lebendig gewordenen Göttin standen? Wieder lächelte sie still. Ja, du könntest einer Göttin gleich sein, auch wenn du diesen Vergleich nicht magst. Du weißt wie du auf andere wirkst, auch wenn es dir nicht gefällt. Du mußt dich jedenfalls in deiner Wirkung nicht hinter einer Göttin verstecken. Die Götter müßten sich hinter dir verstecken.
Ihr Gefährte legte schützend einen Arm um sie, merkte aber, daß es unpassend war und ließ sie wieder los. Nach und nach geschah, womit sie schon gerechnet hatte: die Reihe der Stehenden lichtete sich. Nach und nach ließen sich die Leute voller Ehrfurcht und Respekt um sie herum auf ein Knie nieder, neigten ihre Köpfe und hatten die Augen geschlossen. Auch ihr erging es nicht anders, aber sie durfte dem Drang nicht nachgeben. Ja, sie war ihre Herrin, aber umgekehrt war auch sie ihre Herrin. Ihr Herz schien vor Liebe und Zuneigung zu ihr bersten zu wollen. Ihr standen die Tränen vor Freude in den Augen. Sie empfand tiefes Glück und noch tiefere Liebe und Zuneigung zu ihr, wie es schon vor langer Zeit gewesen war. Es war lange her, sehr lange das sie dieser Ausstrahlung gegenüber gestanden hatte. Sie konnte sich kaum daran erinnern, wie es damals war ihr zu begegnen. Ihr Herz war erfüllt von Liebe und Wärme. Sie wußte, es erging allen anderen um sie herum ebenso wie ihr. Damals war sie nicht so empfänglich dafür wie sie es heute in ihrem menschlichen Körper war. Das war ihre eigentliche, wahre Macht. Die Macht zu den Herzen zu sprechen. Diese Macht wurde von ihren Feinden gefürchtet, nicht die andere Macht, die ihrer Fähigkeiten, ihre Kräfte inne wohnten. Nein, es war alleine diese Macht. Diese Macht wollten sie zerstören. Von Anfang an haben sie versucht zu verhindern, das diese Macht in ihr erwachte. Sie wußten das sie dann unaufhaltsam wäre. Und, aus der Begegnung mit ihr in vergangenen Tagen, was sie damit bewirken konnte.
Der kalte und doch warme, sanfte Blick ihrer strahlenden blauen Augen ruhte auf ihr. Sie war die einzige von allen die noch stand und sie lächelte nur. Die Kriegerin nickte ihr kurz zu, dann richtete sich ihr Pferd wiehernd auf die Hinterbeine auf. Es klang wie eine Kampfansage oder eine Herausforderung. Sie konnte deutlich spüren, wie jene unter dem Helm lächelte, als sie den Hals des Tieres klopfte, das sich kraftvoll wieder runter gelassen hatte. Dann verharrten sie wieder still. Sie neigte ihren Kopf leicht zur Seite nach hinten und schien abzuwarten. Der Blick der Priesterin folgte ihrem. Fünf kleinere Wesen erschienen hinter ihr, die neben sie traten. Sie öffnete kurz erstaunt den Mund, schwieg aber. Es lag nicht an ihr ein Bündnis zu schmieden, sondern an der Kriegerin. Alleine an der Kriegerin. Nur ihr würden sie folgen oder Gehör schenken. Nur sie alleine würde vermitteln können.
Sie nickte den kleinen Wesen zu und ihr Pferd setzte sich langsam in Bewegung. Langsam und behutsam suchte der Hengst sich seinen Weg. Stets darauf bedacht niemanden zu verletzen. Kopf schüttelnd sah sie dem zu und wie sich die Menge langsam aufrichtete. Von dem Eindruck, den sie in jedem hinterlassen hatte, gefangen war.

„Die silberne liegende Acht.“ „Die Blume des Lebens.“ „Wer ist das?“ „Keine Ahnung.“ „Dieses Emblem!“, hörte sie vereinzelte Stimmen bei dem Blick auf ihren blauen Umhang. Einige waren verwirrt oder wie benommen, andere standen vollkommen unter ihrem Bann konnten sich ihr einfach nicht entziehen. Die Priesterin wußte genau, wer diese Kriegerin in der silbernen Rüstung war. Diese Rüstung und auch den Umhang kannte sie nur zu gut. Sie wußte, das es nicht die Originalrüstung war die sie trug. Ihre wahre Rüstung war damals in ihre Obhut gegeben worden. Da war sie noch nicht die Herrin der Insel. Sie hatte Rüstung, Schwert und Umhang damals mit stummen Entsetzen, fassungslos und wie betäubt entgegen genommen. Der Schmerz zu groß gewesen um überhaupt zu realisieren, was geschehen war.
Es hatte lange gedauert bis sie sich erholt, begriffen hatte, was geschehen war. Das sie so wie sie war nicht mehr sein würde, wenn sie zurückkehrte. Und, sie würde zurückkehren, das wußte sie. Sie würde da sein, sie erwarten, sie bezwingen, um sie zu führen und zu leiten. Sie würde sie auf sie warten. Sie erwarten.
Es kam nicht darauf an, ob es die wahre Rüstung war oder nicht, sondern welche Wirkung sie auf andere hatte. Imposant und eindrucksvoll war sie in jedem Fall. Diese silberne Rüstung, die nie einen Kratzer bekam, immer zu leuchten schien. Wie sie, dachte die Hohepriesterin, die unbemerkt zu der Rampe gegangen war. Wenn sie wirklich erwacht, wird das Leuchten noch viel heller sein, als es jetzt schon ist. Dort stand sie neben den kleinen Wesen, die sich schwebend auf ihre Höhe begeben hatten. Eines der Wesen schien so etwas wie ein Bart zu haben. Es konnten auch Haare sein, es ließ sich für sie nicht klar erkennen was es war. „Eindrucksvoll nicht wahr?“ Auf ihren fragenden Blick antwortete er: „Die Technik, unser Fortschritt macht es möglich.“ Seine Stimme war sanft und beruhigend. „Ich habe schon von ihrer Ausstrahlung gehört, wie viele von uns, aber es wirklich zu erleben ist etwas anderes, als es zu hören. Jetzt verstehe ich, wieso sie so vielen ein Vorbild ist.“ Er sah ihr kurz hinterher, dann zu der Priesterin. „Wir haben eine Menge zu besprechen.“ Die Kriegerin brauchte ihren Auftritt. Sie mußte jeden im Lager erreichen. Das wußte die Priesterin. Sie nutzte die Zeit um mit den Wesen, die ihr ihre Herrin zurück gebracht hatten zu reden. Sie folgte ihm in die Fähre. Wo sie eine Weile miteinander diskutierten, Dinge besprachen die für alle wichtig waren.
Nach einigen Stunden verließ sie die Fähre wieder. Ihr schwirrte der Kopf von den vielen Informationen, die sie erst einmal verarbeiten mußte. Sie hatte für viele der hier Anwesenden Neuigkeiten von immenser Wichtigkeit. Zu mindestens für die aus vergangenen Tagen, für sie selber galt das nicht. Sie hatte damals nach dem großen Krieg nicht ihren Körper verloren, wie viele von denen die ihr heute wieder folgten. Als sie zum Himmel sah, stellte sie keine wirkliche Veränderung fest. Das riesige Mutterschiff schwebte dort noch immer und verdunkelte den Himmel über ihnen. Die Luft dröhnte weiterhin von dem was auch immer das riesige Schiff antrieb. Ein schneller Blick sagte ihr, das sie zuerst Ruhe und ein wenig Ordnung in das von der Kriegerin angerichtete Chaos rein bringen mußte, bevor sie auch nur daran denken konnte Gehör zu finden. (Dich in Schwierigkeiten bringen und Unruhe stiften, das beherrschst du beides wirklich sehr gut. Und ich darf zusehen wie ich … Kind! Du bist unmöglich) Sie seufzte, lächelte jedoch leicht. Nach der Wärme in der Fähre tat die kühle Abendluft auf der Haut gut. Sie schloß kurz die Augen um die Kühle zu genießen, bevor sie sich daran machte so etwas wie Ordnung wieder herzustellen.
Nachdem es einigermaßen ruhiger war, und die Leute in der Lage waren zuzuhören, ergriff die Hohepriesterin das Wort: „Oh doch. Ihr kennt sie. Ihr alle wißt genau wer sie ist. Viele von euch sind wegen ihr hier und kämpfen diesen Kampf. Auch gibt es für viele von euch Neuigkeiten. Jene aus vergangenen Tagen, die damals in der großen Schlacht an ihrer Seite waren bitte ich morgen zu mir zu kommen. Und wirklich nur jene. Es wird keinen etwas bringen, etwas vorzutäuschen.“ Dabei ließ sie es, wandte sich um und betrat das Gebäude, das ihr zugewiesen worden war. Nur auf Grund dessen das sie eine Priesterin der Göttin war, hatte sie so etwas wie eine Sonderstellung. Eigentlich wollte sie es nicht, aber in diesem Fall hatte ihre junge Herrin, ihre Kriegerin – ein wenig mußte sie bei dem Gedanken lächeln – alle Argumente auf ihrer Seite. Sie war als Hohepriesterin Abgesandte und Sprecherin der Göttin, nicht nur ihre Tochter oder Gefährtin der Herrin. Alle Punkte die sie vorgebracht hatte klangen vernünftig und plausibel. Doch im Prinzip war sie wie ihre Kriegerin, sie wollte keine Sonderbehandlung, auch als Hohepriesterin nicht.
Sie waren getrennt voneinander untergebracht. Sollte ihr etwas passieren, so gab es immer noch die Hohepriesterin. Manchmal war sie wirklich … Müde schälte sie sich aus ihrer Kleidung und legte sich neben ihrem Gefährten ins Bett, der sie mit einem Arm umfing. „Und?“ „Es wird noch anstrengender. Vor allem, weil sie wieder fast die Alte ist.“ Sie drehte sich zu ihm um. „Ich weiß nicht, woran sie sich erinnert und ob sie sich meiner überhaupt erinnert.“ Er strich ihr sanft über das Gesicht und sah sie zärtlich an. „Sie ist noch immer dein. Glaubst du denn wirklich, sie würde das vergessen?“ Sie drehte sich wieder um und sah aus dem Fenster. „Ich bin mir nicht sicher. In den nächsten Tagen erwartet uns sehr viel Arbeit. Ich werde sie eine Weile beobachten, aber sie in Ruhe lassen.“, antwortete sie müde. Selten hatte sie sich so hilflos gefühlt, so ratlos. Wenn doch nur ihre Mutter hier wäre und ihr Rat geben könnte.

Die Priesterin, die Kriegerin, diese Wesen, einige Architekten, Handwerker und jene die wichtige Positionen im Lager bekleideten berieten tagelang. Die Kriegerin hatte ihre Rüstung abgelegt, saß in legerer Kleidung am Tisch und hörte sich alle Seiten schweigend an.
Sie diskutierten, erörterten, stritten, beruhigten sich wieder. Jeden Tag sprachen sie bis in die Nacht hinein. Es gab viel zu besprechen, zu erklären, zu regeln – zu verstehen.
Am Ende jeden Tages, wenn die Beratungen auf den nächsten Tag verschoben wurden, blieb die Kriegerin noch eine Weile alleine. Naraja schien sie zu ignorieren. Würdigte ihr keines Blickes, außer sie äußerte sich in der Beratung. Jene blieb jedesmal eine Weile in der Tür stehen und warf einen langen besorgten Blick auf die junge Kriegerin. Diese zeigte keinerlei Reaktion, wirkte sehr stark in sich gekehrt. Schließlich ging auch sie schweren Herzens und ließ sie mit dem alleine was sie beschäftigte. Ihr entging nicht die steigende Einsamkeit, die die Kriegerin ausstrahlte.
In den Beratungen – eigentlich waren es Verhandlungen – wirkte es, als sei die Kriegerin nur eine stille Beobachterin und gar nicht wirklich beteiligt. Im Lager wurden die fremden Wesen unterdessen noch argwöhnisch betrachtet, aber nicht mehr als feindlich angesehen. Man gewöhnte sich daran, das sie zwischen den Menschen herum gingen, sich die Gebäude und vorhandenen Materialien genau ansahen. Beinahe alles zu studieren und genau zu untersuchen schienen. Den Sinn dessen erfuhren die Menschen im Lager erst einige Tage, nach dem die Beratungen und Verhandlungen beendet waren.
Die Herrin hatte sich erst ganz zum Schluß, nach dem alle Argumente, Bedenken von allen Seiten vorgebracht worden waren, geäußert und ihren Standpunkt sehr logisch und plausibel dargelegt. Am letzten Tag der Beratungen wurde eine Liste von Materialien angefertigt, die benötigt wurden. Die fremden Wesen sagten uneingeschränkte Unterstützung in allen Belangen zu. Sie boten Unterstützung bei der Beschaffung von Nahrung, Wasser, Vorräte, Baumaterial und Schutz an. Von Jinakei, wie das Wesen mit den weißen Haaren sich der Einfachheit selber nannte, erfuhren sie, das sie eigentlich reine Wissenschaftler in menschlichen Sinne und friedliebend seien, aber auch über ein enormes Potential an Verteidigungswaffen verfügten. „Manchmal muß auch der Friedlichste sich verteidigen.“ Dabei sah er die stille Kriegerin an. „Wir hatten ein Versprechen zu erfüllen. Wie hätten wir das tun können, wenn wir angegriffen worden wären? Nicht jeder in dem Universum ist friedlich. Wir mußten jene beschützen, die uns anvertraut worden waren. Das ging nur, wenn auch wir Waffen entwickelten mit denen wir uns Verteidigen können.“ Es klang wie eine Entschuldigung. Er fügte noch mit an, das die Waffen über die sie verfügten, reine Verteidigungswaffen sein. Er erläuterte auch, wie sich die Rückführung gestalten würde. Die Herrin zeigte anhand einer sehr fortschrittlichen Bildprojektion, was ihr eigentliches Bestreben war. Dazu brauchte sie jedoch nicht nur Unterstützung von den fremden Wesen, sondern von allen die ihr folgten und das gleiche Bestreben hatten wie sie selbst.
Am Ende der Beratungen stand ein Plan fest, mit dessen Ausführung und Umsetzung unverzüglich begonnen werden sollte. Die Kriegerin selber würde mit anpacken wo es nur ging, dessen war sich Naraja bewußt. Sie spürte das Unbehagen, das in ihrer Herrin war. Ihr war klar, das sie ihr auswich. In manchen Belangen war sie noch immer sehr unbeholfen, wie ein Kind. Es waren Bereiche, in den sie nie … In Naraja entwickelte sich ein eigener Plan, der so gar nicht mit dem übereinstimmte, was die junge Herrin geplant und vor hatte. Doch erst einmal würde sie weiter abwarten, und beobachten wie sich das alles entwickelte.

Tage später beobachtete sie, wie die hochgewachsene Kriegerin mit den langen hellen Haaren und den strahlend tiefblauen Augen über Plänen gebeugt die Leute delegierte. Die benötigten Materialien waren mit unzähligen Fähren die rund um die Uhr starteten und landeten ins Lager gebracht worden. Die Menschen wurden mit der neuen und fremdartigen Technik sowie den Waffen und deren Handhabung vertraut gemacht. Sie brachten auf Anraten der Herrin von jeder Waffe erst nur eine ins Lager. Sie selber war zugegen, wenn die Waffen vorgeführt und der Umgang mit ihr erläutert wurde. Sie wollte, das die Menschen lernten verantwortungsvoll mit ihnen umzugehen. Sie machte allen klar, das diese Waffe grundsätzlich nur der Verteidigung des Lebens dienten, nicht aber um anzugreifen oder absichtlich zu verletzen. (In dem diese Wesen uns ihre Waffen überlassen und den Umgang mit ihnen lehren, beweisen sie nicht nur Mut sondern auch ungeheures Vertrauen in uns. Erweisen wir uns dieses Vertrauens als würdig und mißbrauchen nicht, was wir erhalten haben – Vertrauen!) Ihre mentale Stimme erreichte jeden, egal wo man war.

Sie hatten Unterstützung bekommen, von einer Seite mit der sie nie im Leben gerechnet hatten – noch weniger hatte sie mit ihrer wahren Rückkehr gerechnet, aber sie war auch gefürchtet worden. Naraja erinnerte sich mit gemischten und einem dunklen Blick daran zurück. Viel war unternommen worden um genau das zu verhindern. Sie hatten nichts unversucht gelassen um sie zu brechen, zu unterdrücken, zu demütigen. Mit Naraja und ihrem unbeugsamen Willen hatten sie jedoch nicht gerechnet. In einem langen und harten Kampf hatte sie sich den Feinden ihrer Herrin entgegen gestellt, sie verteidigt, beschützt und es schließlich geschafft sie aus deren Einfluß zu holen. Nur langsam hatte sie Naraja an ihrer Seite akzeptiert und schließlich anerkannt. Für ihre Herrin war es ein langer und harter Weg, weil sie es unbedingt verhindern wollte. Sie kämpfte gegen ihren eigenen, ihr vorbestimmten Weg an.
Das Schicksal ließ sich nicht betrügen. Es stand schon vor vielen Äonen bereits fest. Ihre Kriegerin hatte diese Lektion auf sehr bitterem Wege lernen müssen, weil sie verzweifelt gegen ihr eigenes Schicksal angekämpft hatte. Ein Schicksal das sie nicht gewollt hat und doch annehmen mußte. Man hatte die Wahl: entweder man nahm sein Schicksal freiwillig an, oder man wurde – wie in dem Fall ihrer Kriegerin – dazu gezwungen. Welche Opfer sie selber dafür gebracht hatte, um den Tag ihrer Rückkehr zu erleben, verschwieg sie ihrer Kriegerin aus gutem Grund. Sie würde es weder verstehen, noch begreifen. Die junge Kriegerin würde sich selber die Schuld für all das geben. Es würde es sie sehr belasten, wenn sie erfuhr, was sie alles für sie in Kauf und auf sich genommen hatte. Deshalb achtete Naraja darauf, das sie nie erfuhr welchen Preis sie selber gezahlt, welche Opfer sie gebracht hatte. Sie hat all das getan, weil sie selber es so gewollt, sich so entschieden hatte. Nicht, weil man sie dazu gezwungen hatte, oder es ihr Schicksal war. Ja, alles hat seinen Preis, auch das. Dachte sie, als sie ihre Kriegerin versteckt beobachtete. Ihre wachsende Einsamkeit spürte, wie harte Schläge. Ihre Sehnsucht, die ihr fast das Herz und sie selber zerriß. (Immer mit dem Kopf durch die Wand. Immer versuchen, es alleine zu schaffen. Wann begreifst du endlich, das du nicht mehr alleine bist?) Ihr Plan nahm mehr und mehr Gestalt an. Sie wußte, was zu tun war, aber noch war der Zeitpunkt nicht günstig. Noch mußte sie warten.

Nach und nach kehrten jene in ihre eigenen alten Körper zurück, die damals in dem großen Krieg ihre Körper verloren hatte. Sie konnten selber wählen, ob sie ihre jungen Körper oder die eigenen zurück haben wollten. Auf ihre Leibwache und sie selber traf das leider nicht zu. Otorios Körper war lange vor dem großen Krieg getötet worden, als er seine Herrin vor einer Steinlawine schützen wollte, deren Ziel sie war. Schon sehr früh hatte man damit begonnen sie anzugreifen und versucht sie aus dem Weg zu räumen. Sie irgendwie loszuwerden. Die Hohepriesterin seufzte. Ihr eigener Körper war sehr viele Jahre nach dem Krieg gestorben, obwohl auch ihr Körper unsterblich hätte sein sollen. Oder hatte sie ihn abgestreift? Sie wußte es nicht mehr. So viel war geschehen. So viel, das noch verschwommen, verschüttet war und so viel, das noch geschehen würde. Und sie, ihre Herrin und Kriegerin spielte eine entscheidende Rolle.
Ihre Rückkehr hatte eine Erschütterung auf allen Ebenen ausgelöst, dessen war sie sich bewußt. Sie hatte diese Erschütterung gespürt. Auch, das es eine gewaltige Veränderung bedeutete, die schon jetzt zu sehen war. Wesen vergangener Tage mit den Menschen der heutigen Zeit. Das würde viele Probleme bescheren, aber auch viele Möglichkeiten eröffnen. Sie haben alle als Menschen gelebt, auch wenn sie nie Menschen waren.
Der Blick der Hohepriesterin fiel auf die Kriegerin, wurde sanft. Immer wieder sah sie auf einen Plan oder wies Leute an, diskutierte, erörterte. Sie hatte immer gesagt, sie wäre keine Heldin. Vielleicht war sie keine Heldin, aber sie war eine Anführerin, die gerade am Erwachen war. Nach anfänglicher Unsicherheit, wurde sie mehr und mehr zu dem, wie sie mal war. Je länger sie die Kriegerin beobachtete, desto überzeugter war sie davon.
Leicht lächelnd beobachtete sie ihre junge Herrin aus dem Hintergrund weiter. Sie war zu sehr damit beschäftigt aus diesem Lager eine sichere Zuflucht zu machen. Sie hatte den Plan gesehen und war wie viele andere auch, ihren Ausführungen gefolgt ebenso dem, was sie wirklich bezweckte. Bei dem Aufbau konnte sie ihr nicht helfen, da würde sie ihr eher im Wege stehen, denn nützlich sein, aber später – ja, da würde sie ihr helfen und zur Seite stehen können. Jetzt war es jedoch wichtiger, ihr freie Hand in dem zu lassen, was sie vor hatte.

Jeden Morgen wenn alle noch schliefen, war sie vor allen wach und trainierte. Sie wollte das Gefühl für ihren wahren Körper wieder bekommen. Schlaf brauchte sie nur noch selten, deswegen wachte sie über alle die Schlafen mußten. Sobald der Morgen graute betrat sie den von ihr abgesteckten Platz, den einige Arena nannten. Dieser Platz gehörte nur ihr und jenen, die sie ausbildete oder den ganz Mutigen die sie herausforderten und sich selber beweisen wollten. In wenigen Tagen hatte sie das Herz selbst von den rauhsten unter ihnen gewonnen. Irgendwie, war sie stolz auf ihre Kriegerin. Wie eine Mutter auf ihr Kind, dachte sie kurz. Und irgendwo war sie es ja auch. Ein stures, eigensinniges Kind. Ihre Gefährtin.
Ihr Hengst war nicht der Einzige, der sie beobachtete, als sie die Arena betrat. Er hob kurz den Kopf. In seinem Maul noch ein großes Büschel Gras. Beäugte wie sie sich ihres Oberteils entledigte und in einem leichten Hemd gewandet sich aufwärmte, dann wandte er sich wieder dem saftigen Gras zu. Er befand das es nichts zu Beanstanden gab. Alles war wie jeden Morgen, auch die stille Anwesenheit der Hohepriesterin, die sie mit einem leicht zufriedenen, stolzen Blick beobachtete.
Sie wollte, das sie sich erst mal wieder zurecht findet, sie nicht bedrängen. Wenn es an der Zeit war, würde sie sich ihr schon wieder annähern. Das morgendliche Training trug dazu bei, das sie wieder ein Empfinden für ihren Körper bekam, dessen war sie sich bewußt. Wie befreiend mußte es für sie gewesen sein, endlich wieder in ihren eigenen Körper zurück gekehrt zu sein? Kannte sie doch ihre Abneigung und den Umgang von ihr mit dem menschlichen Körper, an den sie sich nie wirklich gewöhnt hat. Egal wie sehr sie es auch versucht hatte, es schien ihr einfach nicht möglich zu sein.
Jeden Tag pendelte die Kriegerin zwischen dem Mutterschiff und dem Lager hin und her. Sie beriet sich mit beiden Seiten, feilten an Verbesserungen, an Möglichkeiten dauerhaften Schutz zu gewährleisten. Jeden Tag setzten sie sich zusammen und besprachen die Pläne, Sorgen und Nöte des Lagers, Anliegen, Streitigkeiten, was beschafft werden mußte. Sie bezog alle Seiten mit ein, die Alten, die Jungen und die Verbündeten, die sie zurück gebracht hatten. Alle Seiten packten kräftig mit an. Ließen sich von ihr herum kommandieren, während sie über ihren Plänen brütete. Sie koordinierte, vermittelte, stand zwischen allen. Ein wenig wehmütig beobachtete Naraja im Hintergrund wie sich ihre Kriegerin entwickelte. Wie schnell sie in ihre Rolle zurück fand um zu führen und zu leiten, und doch zunehmend einsamer wurde, weil sie das Gewicht der Verantwortung wieder alleine zu schultern glaubte.
In den wenigen ruhigen Minuten die Soei hatte – die man ihr ließ, sie nicht beanspruchte oder in Beschlag nahm – widmete sie sich den Kindern die sie umringten. Ihr ging das Herz noch weiter auf, als sie sah wie sanft ihre Züge wurden, wenn sie sich um die Kinder kümmerte um die sich sonst kaum einer kümmerte. Sie setzte sie auf ihren Hengst, der sich geduldig einiges von ihnen gefallen ließ. Er wendete nur seinen Kopf und sah zu wie seine Herrin ihm diese kleinen Wesen behutsam auf den Rücken setzte. Nachdem vier von diesen kleinen Wesen auf seinem Rücken Platz gefunden hatten, nahm er seinen Kopf nach vorne und setzte sich langsam in Bewegung. Es war für die Kinder eine schöne und notwendige Abwechslung. Sie hatte beobachtet, wie der große Hengst ein weinendes Kind das hingefallen war vorsichtig mit seinem Maul an seiner Kleidung nahm, hoch hob und sanft mit seinem Kopf anstieß. Schnell war der Schmerz und die Tränen vergessen gewesen, und Sturmwind sah sich von kleinen Armen und einem strahlenden Gesicht umfangen, das sich an seinen Kopf drückte. Dieser Sturmwind war anders, als sein Ahne. Sie erinnerte sich dunkel, das sich dem ersten Sturmwind niemand außer seiner Herrin näheren konnte. Es schien, als würde sich das Wesen des Tieres mit dem Wesen seiner Herrin ändern. Sturmwind war genauso verantwortungsvoll wie seine Herrin – und ebenso wachsam. Daran hatte sie keinen Zweifel, wenn sie sah wie er sich den kleinen Wesen gegenüber verhielt. Manchmal erweckte er in ihr den Eindruck, das er kein Pferd, sondern ein anders gearteter Hund war.
Je länger sie die große Frau beobachtete, desto überzeugter war sie, daß es richtig gewesen war.

Wenn Soei über ihren Plänen brütete, wirkte es oft so als würde ihr Kopf gleich Feuer fangen. Eine ihrer Leibwachen, Otorio, schlich sich von hinten an sie ran, als sie wieder in ihren Plänen versunken war und goß ihr eines Tages einen Eimer Wasser über den Kopf. Er konnte gar nicht so schnell weg wie die große Frau hinter ihm her war. Sie lief klatschnaß hinter ihm her durch das Lager. Die Leute an denen sie vorbei kamen, blieben verdutzt stehen und sahen lachend zu, wie sie ihre Leibwache quer durch das Lager jagte. Als sie ihn endlich hatte, brachte er zu seiner Entschuldigung vor, das es ausgesehen habe, als hätte ihr Kopf Feuer gefangen. Dieses Feuer wollte er löschen. Sie quittierte es, in dem sie ihn in den See warf, an dessen Rand er gestanden hatte. „Herrin das ist unfair. Ich wollte doch nur verhindern, das dein Kopf Feuer fängt.“ (Daran hättest du denken sollen, bevor du mich … löschst.) Die umstehenden Wesen, nahmen den Humor in ihrer mentalen Stimmen wahr. Es hatte wesentlich dazu beigetragen, das die angespannte Ruhe sich auflockerte, das Verhältnis untereinander sich entspannte.
Es waren wenige Wochen und Momente der Ruhe und Ausgelassenheit, bald würde sich das wieder ändern. Sie zeigten Naraja aber auch, das sie den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Diese einst so beherrschte Kriegerin, der man nie eine Regung ansah, hat sich in ihrer Obhut sehr verändert. Sie hatte nicht alles vergessen, was sie ihr beigebracht und sie in der Zeit gelehrt hatte, in der sie in einem menschlichen Körper war. So wie sie mit anderen umging, die Augen verdrehte, wenn einer der rauheren Männer oder Frauen einen derben Scherz machten, oder wie im Fall von Otorio, der wie ein begossener Pudel aus dem See kletterte. Sie waren wie zwei große ausgelassene Kinder.
Vor langer Zeit war ein solches Verhalten von ihr undenkbar gewesen. Voller Würde, voller Stolz. Zum ersten Mal sah sie vielleicht so etwas wie Frieden in Soeis unruhigem ewig suchenden Wesen.

Die Hohepriesterin zog sich schmunzelnd in ihren Bereich zurück. „Nun bist du also wirklich zurück gekehrt. – Wie es meine Mutter vorhergesagt hat.“ Sie strich über ein Bild, das sie in ihrem jüngeren Körper zeigte, über dessen Schicksal sie bald befinden mußte. „Genieße diese Ruhe, diesen Frieden meine Herrin, so lange du kannst, denn bald wirst du wieder das tun, was du als deine Pflicht ansiehst – kämpfen und beschützen, was dir heilig ist.“ Sie stellte das Bild sanft lächelnd und doch mit einem düsteren Blick auf die Zukunft wieder zurück. „Dieses Mal jedoch, wird es nicht wie damals enden. Dieses Mal nicht. Dieses Mal wirst du sein was du sein sollst. Niemand wird dich mehr in Ketten legen und einzwängen um zu verhindern, das du wirklich zu dem wirst, was du sein sollst, dafür werde ich sorgen.“ Ihre Augen verengten sich. Und wehe dem, der sich mir und dir in den Weg stellt und das doch zu verhindern sucht, dachte sie grimmig.
Die blonde Hünin hob ihren Kopf und sah mit ihren hellen blauen Augen zu einem Fenster. Ihr war, als hätte sie jemand gerufen. „Soei?“ Sie atmete tief ein, bevor sie dem Jungen vor sich wieder Aufmerksamkeit schenkte. Die Pflicht hatte Vorrang, das war schon immer so und würde nie anders sein. Dazu gehörte auch, die jungen Wesen auszubilden, damit sie sich im Notfall selber verteidigen konnten, wenn keiner da war um es zu tun.

Tage, Wochen vergingen, in denen die Männer, Frauen und die fremden Wesen unermüdlich in mehreren Schichten arbeiteten. Es wurde gehämmert, geschweißt, dirigiert, geflucht, gelacht, gescherzt. Immer mittendrin die blonde Hünin, die sie Soei nannten – Herrin. Nie zu Schade selber mit anzupacken, oder zu erklären. Immer ein offenes Ohr, immer aufmerksam. Manchmal erweckte sie den Eindruck, als würde sie alles allein auf ihren Schultern tragen.
Herrin nannte man sie, weil es Teil ihres Namens war. Sie bildete sich nichts darauf ein, oder hielt sich für etwas Besseres. Es war ein Teil ihres Namens, nicht mehr und nicht weniger.
In den wenigen Augenblicken die sie Ruhe hatte, sah sie oft zu dem Gebäude, in dem die Hohepriesterin und die ihren untergebracht waren. Jedesmal rührte sich eine tiefe Sehnsucht in ihr, aber sie verbot sich dem nachzugeben, anderes war wichtiger. „Warum geht Ihr nicht einfach zu ihr?“ Sie sah runter, auf Spitzhaar, wie sie ihn im Stillen getauft hatte. (Es gibt wichtigeres. Zuerst müssen wir eine Verteidigungslinie aufbauen, dieses Lager hier sichern um für alle wirkliche Sicherheit garantieren zu können.) „Das geht aber auch, wenn Ihr nicht dabei seid.“ (Das mag sein, aber für den Fall, das irgendwas passiert, will ich einfach da sein.) „Wann habt Ihr das letzte Mal ausgeruht?“ Soei dachte kurz nach. (Vor 4 Tagen.) Sie lächelte das kleine Wesen an. (Ich habe lange genug geschlafen. Es gibt noch so viel zu tun.) „Die große Frau sagte uns, das Ihr so sein würdet. Wenn dem so sein würde, sollten wir Euch ermahnen, das auch Ihr Ruhe braucht. Ihr seid noch nicht so weit, das Ihr volle Leistung erbringen könntet. “ (Das mag sein, aber mein Körper hat Äonen geruht. – Es wird auch nicht mehr lange dauern, dann werden auch jene die das unbedingt verhindern wollten wissen was geschehen ist, falls sie es nicht schon wissen. – Bis die wissen was sie tun sollen, will ich hier so schnell wie möglich voran kommen um jene, die hier sind in Sicherheit wissen. – Meine Rückkehr, soll nicht vergebens sein.) „Aber nicht zu Lasten Eures persönlichen Glücks.“ Er war von ihr auf eine Kiste gehoben worden, damit er nicht immer zu ihr aufsehen mußte. „Geht zu ihr. Sie wartet auf Euch.“ Soei sah ihn ruhig an. (Sie hat alles was sie braucht. Ihren Gefährten, ihre Kinder.) „Nur die Gefährtin, die hat sie nicht, weil sie hier auf dem Hof steht und Befehle und Anweisungen gibt, die Leute delegiert, selber mit anpackt und sich keine Ruhe gönnt. – Vertraut denen, die euch umgeben. Sie alle wissen was sie zu tun haben. Wir sind auch noch da. Ihr müßt das alles nicht alleine auf Euch nehmen. Wir wissen was zu tun ist, schließlich haben wir den Plan mit Euch entwickelt.“ (Das ist richtig, ohne euch würden wir nur halb so schnell vorwärts kommen.) „Dann ruht Euch aus und überlaßt uns auch etwas zu tun. Ihr seid nicht alleine. Geht zu Eurer Gefährtin.“ Sie zögerte. „Das ist falsche Bescheidenheit Herrin.“ Das kleine Wesen lächelte keck, als wüßte er etwas das sie nicht wußte. „Für heute, Herrin, entbinde ich Euch von Euren Aufgaben – und für morgen vielleicht auch.“ Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu. „Überlaßt alles weitere ruhig uns. Und jetzt geht.“ Er deutete an sie fort schieben zu wollen. Es war der Wunsch der Abgesandten gewesen, das sie entlastet wird. Er hatte versprochen sie zu unterstützen und ihr zu helfen, Soei ein wenig von ihren Pflichten, die sie sich selber aufgebürdet hatte, abzunehmen.

Sie saß auf einen Hügel unweit des Sees. Ihr Blick wanderte in der Dunkelheit zu den Sternen hoch, die sich auf der Oberfläche des ruhigen Sees widerspiegelten. Sie streckte ihre Hand aus und spreizte die Finger. Vereinzelt sah sie durch die Lücken die Sterne. Es wirkte, als wollte sie nach den Sternen greifen. Hände strichen über ihre Schulter zu den Brüsten entlang, wo sie sich ineinander legten und sie umarmt wurde. „Was machst du hier?“ (Die Sterne betrachten. Ich wurde scheinbar einstweilen von meinen Aufgaben entbunden.) Sie wurde ernst angesehen. „Das wurde auch Zeit. Du bist Tag und Nacht eingebunden. Gönnst dir kaum Ruhe. Du forderst wie immer zu viel von dir.“ Es lag ein leichter Tadel in der Stimme ihrer Herrin. (Es gibt viel zu tun, und womöglich haben wir wenig Zeit alles fertig zu stellen.) Stille breitete sich aus, die in Soei Unbehagen auslöste. „Wieso weichst du mir aus? Glaubst du, nur weil du wieder die Alte bist, beinahe so bist wie du mal warst – hat sich irgendwas verändert?“ (Ich bin unsterblich meine Herrin. Ich …) „Ja und?“ (Ich …) Eine Hand legte sich an ihr Gesicht und drehte es in die Richtung wo das Gesicht der Hohepriesterin Naraja war. „Um eine Ausrede warst du noch nie verlegen. – Ich habe darauf gewartet Soei Arman Deran, sehr lange. Darauf gewartet, das du endlich zurück kehrst, wieder so wirst wie du mal warst. Jetzt ist es endlich so weit und du bist noch immer genauso feige wie vorher, wenn es um dich selber geht. Für andere bist du unglaublich stark, trittst für sie ohne zu Zögern ein, aber für dich selber nicht, – deswegen bin ich da.“ Sie spürte wie sich ein Mund auf ihren legte, bevor sie noch richtig protestieren konnte. (Egal was auch immer du für Argumente vorbringst, ich werde immer da sein. – Ich habe dir schon einmal gesagt: ich lasse mich nicht von dir vertreiben. Du bist und bleibst meine Gefährtin, egal was dir sonst noch einfällt, das solltest du eigentlich wissen.)
„In jener Nacht teilten sie nicht nur den Sternenhimmel. In jener Nacht erfuhr Soei die wahre Bedeutung der Vereinigung.“ Der alte Mann hielt kurz in seiner Erzählung inne. „Tage später, nach dem sie ihr Schwert von der Hohepriesterin wieder erhalten hatte, sollte sie erfahren wie die vergessene Legende aus vergangenen Tagen wieder auferstehen würde, wie stark und mächtig sie war, wie stark ihr Ruf war – was sie wirklich bewirken konnte. Das all das, dessen sie sich – wir alle uns erinnerten – wirklich der Wahrheit entsprach. Das ihr Ruf nach Frieden noch immer sehr stark war, ebenso die Resonanz. Wieder sollte sie ein gewaltiges Heer anführen. Wieder sollte sie einen Kampf führen, der nicht der ihre war – und wieder sollte sie uns allen den lang ersehnten Frieden bringen. Doch dieses Mal würde sie nicht vergessen werden, dieses Mal würde man sich für immer ihrer erinnern.“
Der alte Mann schloß müde lächelnd die Augen. „Aber das ist eine andere Geschichte. Die ich euch ein anderes Mal erzählen werde. – Und jetzt ins Bett mit euch ihr Racker.“ „Och menno.“ „Kannst du uns nicht noch mehr erzählen?“ „Was ist mit der Kriegerin geworden?“ „Was ist in der Nacht geschehen?“ „Sind diese Wesen von dem anderen Planeten noch hier?“ Die junge Frau sah über den Rand ihrer Brille zu dem alten Mann, legte bedächtig ihr Stickkissen an die Seite und erhob sich. Kurz streckte sie die Arme in die Luft, bevor sie leicht in die Hände klatschte um die Kinder aufzuscheuchen. „Schluß jetzt. Euer Großvater ist müde und will schlafen. Ihr geht jetzt auch ins Bett.“ Die Kinder hoben gemeinsam zum Protest an. Mit wedelnden Händen trieb sie die Kinderschar vor sich her. Den Jüngsten nahm sie auf ihren Arm, beugte sich kurz über den alten Mann, den sie auf die Stirn küßte. Zusammen mit der Meute verließ sie den Raum. Langsam kehrte Stille in den Raum ein. Nur die tiefen gleichmäßigen Züge des alten Mannes waren zu hören.
„Bist du da?“ Eine schmale dunkle Gestalt trat hinter einer Säule hervor und umfaßte die suchende Hand des alten Mannes. Er täschelte sie leicht. „Wie immer mein Freund. – Ich kann mir doch keine deiner Geschichten entgehen lassen.“ Er lächelte vergnügt. „Nur glorifiziere mich nicht.“ „Ich sage nur wie es war.“ Sie lächelte kurz und nahm ihm das in braunes Leder gebundene Buch sanft aus der Hand. Nach einem kurzen Blick drauf legte sie es auf den Nachtschrank neben ihm. „Du hast es noch immer.“, stellte sie fest. „Wie könnte ich es nicht haben? Es ist doch von dir.“ Es klang wie eine Entschuldigung. Sanft deckte sie den alten Mann zu, der eingeschlafen war. Ein wenig wehmütig sah sie auf den alten Mann, der einst ihre Leibwache war. Im Gegensatz zu ihr, war er alt geworden. Er hatte selber so entschieden. Die junge Frau tauchte wieder in der Tür auf. Als sie die Gestalt an dem Bett ihres Großvaters sah, blieb sie stehen. „Und?“ „Er schläft jetzt.“ „Ich danke dir. Für alles was du für ihn tust.“ „Ich danke dir. Für das, was du für die Kinder tust. Ohne euch, hätten diese Kinder kein zu Hause. Keine Heimat.“ Sie sah beinahe zärtlich auf den alten Mann. „Er war – wie du – meine Leibwache und ein Freund. Auch wenn ich unsterblich bin, vergesse ich meine Freunde nicht. Auch nicht, was sie für mich getan haben. – Ich habe viel Leid gesehen, viel Leid erfahren, aber auch anderes gesehen und erlebt. Das Leben besteht nicht nur aus Leid, aber es wird aus Leid geboren.“ „Soei ...“ „Paß gut auf die Kinder auf. Auch auf deine gib gut acht. Eines Tages werden sie den Platz einnehmen, den du jetzt hast, aber nicht jeder von ihnen wird es können. Nicht jeder von ihnen kann meine Leibwache werden. Mach ihnen das so früh wie möglich klar, damit kein Neid und keine Eifersucht unter ihnen entsteht. – Sei so gut und achte darauf, das er in seinen Geschichten nicht so übertreibt und mich glorifiziert. – So bin ich einfach nicht.“ Die junge Frau trat in den Raum. „Ich denke, das ich da nicht viel machen können werde. Er sieht noch immer zu dir auf. Er verehrt dich, Herrin.“ Die hochgewachsene blonde Frau trat an das Fenster. „Versuche nur ihn ein wenig zu bremsen.“ „Das mache ich, aber du kennst meinen Großvater.“ Soei seufzte. „Ja, leider.“ Sie sprang aus dem Fenster und landete im Sattel des schwarzen Hengstes Sturmwind. Der geduldig auf seine Herrin gewartet hatte. Die junge Frau trat an das Fenster und schloß es. „Doch Soei, so bist du.“
Tief über seinen Hals gebeugt galoppierte sie durch die Straßen zu dem höchsten Punkt der Stadt. Ihre Augen waren geschlossen. Sie genoß die Kraft des Hengstes und den Wind der ihre Haut zu streicheln schien. Sie ließ die Zügel los und Sturmwind ausgreifen. Er wußte wo sie hin wollte. Er würde sie dort sicher hinbringen. Wie sein Vater vor ihm würde er gut auf sie acht geben und sie sicher an ihr Ziel bringen. Er würde sie tragen wo auch immer sie hin wollte.
Ihr Blick streifte über die Kuppeln und Dächer. Diese Stadt war offen und bot doch eine Sicherheit wie man sie kaum irgendwo fand. Sie vereinte in sich alles was gut war. Alt und Neu, Fortschritt und Vergangenheit lebten in ihr in einer Symbiose.
Leise lächelnd und mit sanftem Blick stieg sie von Sturmwind ab. Die Zügel hielt sie locker in der Hand. Eigentlich brauchte sie diese gar nicht, aber für den Notfall, war es gar nicht so schlecht sie zu haben. Arme umfingen sie von hinten. Ein Kuß wurde ihr sanft in den Nacken gedrückt. „Wie geht es ihm?“ „Er ist sanft eingeschlafen.“ Sie sah sie ernst von der Seite an. „Keine Sorge er schläft nur. Er hat nur wieder eine seiner Geschichten zum Besten gegeben. – Ich glaube, erst wenn er alle los geworden ist, wird auch er los lassen.“ Soei strich über die Hand und den Arm ihrer Gefährtin. Der Gefährtin, der sie das Geschenk zuteilwerden ließ, das sie von Geburt an ihr eigen nannte: Unsterblichkeit. Sie hatte die Hohepriesterin damals vor die Wahl gestellt, sie und ihren Gefährten. Ihnen beiden die Konsequenzen aufgezeigt, was es bedeutet unsterblich zu sein. Sie würden jene, die sie liebten, die ihnen nahe standen sterben sehen. Beide hatten nicht lange gezögert. Nicht aus eigennützigen Motiven, sondern um zu verhindern, das sie je wieder alleine war.
„Ich schütze das Leben, meine Herrin, ich nehme es nicht willkürlich. – Würde er leiden und mich darum bitten, dann ja.“ „Ich weiß.“ Sie blieben noch eine Weile auf dem Hügel stehen und sahen wie die Sonne auf der anderen Seite der Kuppel unterging. Soei setzte sich hin und sog die Luft tief ein. Eine Hand strich ihr über das Gesicht, ihren Kopf. Sie lehnte sich zurück in die Arme ihrer Gefährtin. Ihr Blick wanderte zu der Kuppel, während sie langsam in einen kurzen Schlaf glitt, der von ihrer Gefährtin beschützt würde. Der Kuppel, die sie alle schützte, doch vor allem sie. Und sie schützte diese Stadt, die neue heilige Insel. Das Versprechen an die Zukunft, von einer besseren Welt in der es sich für jeden zu Leben lohnte. Das Versprechen, für das sie vor langer Zeit einstand und kämpfte.

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Freitag, 6. April 2012

Todessucherin - Friedensbringerin©

Überall war dichter Rauch. Panzer, Militärjeeps lagen zerfetzt und brennend überall herum. An einigen Stellen waren Düsenjets mit der Spitze in den Boden gerammt. Trümmer und Leichen oder irgendwelche Körperteile die bei einer Explosion vom Körper gerissen worden waren lagen überall herum. Der Boden waren matschig. Verletzte und Sterbende stöhnten und schrien vor Schmerzen. Es war ein fürchterlicher Krieg, ein Krieg den sie nicht gewinnen konnten. Sie hatten schon längst den Wahnsinn erkannt, der sie erfaßt hatte und antrieb. Es waren nicht ihre Vorgesetzten, es war der Wahnsinn, den der Krieg mit sich brachte.
Immer wieder waren sie nach vorne gerannt. Immer wieder schossen sie. Immer wieder sahen sie Kameraden fallen, Geländewagen und Panzer explodierend in die Luft gehen. Soldaten die brennend und schreiend über das Schlachtfeld rannten. Kameraden die ihnen zu helfen versuchten, ohne dabei selber panisch zu werden. Kameraden die von einer Explosion zerfetzt durch die Luft flogen. Man konnte kaum über das Feld gehen ohne auf Körperteile zu treffen, die von dem Rest abgetrennt worden waren. Viele jüngere Soldaten hatten sich bei dem Anblick erbrochen. Der Gestank der Leichen, die auf dem Schlachtfeld verfaulten, der Geruch der Verwesung lag in der Luft. Erschwerte das Atmen.
Der Rauch war schwarz und dicht. Er verdeckte ihre Sicht. Sie wußten schon lange nicht mehr wer Freund oder Feind war. Zu viele Kameraden waren durch die eigenen Waffen gefallen. Gab es überhaupt einen Feind? Miteinander reden taten sie schon lange nicht mehr. Sie waren abgestumpft. Auch war jeder für sich damit beschäftigt den eigenen Wahnsinn im Zaum zu halten.
Sie husteten von dem Rauch, der ihnen die Tränen in die Augen trieb, den verfaulenden Leichen, die sie nicht bestatten konnten.
Seit Tagen brannte das Feuer. Die Erde war nicht nur von dem Blut der vielen Toten getränkt, sondern auch von Benzin und Kerosin, das dem Feuer immer wieder neue Nahrung gab.
Es war ein stiller Tag im Graben, aber sie wußten der Tag würde nicht lange so still bleiben. Jeden Tag beteten sie, das heute keiner ihrer Kameraden durch die eigene Waffen fallen möge. Sie hörten Geräusche und wirbelten herum. Sie lugte aus dem Graben hervor, die Waffen vor sich auf den Boden. Sie hörten das Schmatzen des Matsches. Er schluckte und fuhr sich nervös über die Stirn um den kalten Schweiß der ihm dort herablief wegzuwischen, daran zu hindern, das er ihm in die Augen tropfte. Der Rauch behinderte nach wie vor die Sicht. Der Himmel war schwarz von dem Qualm. Das Schmatzen hörte auf. Was auch immer das war, es war nicht nah genug heran gekommen.
Leichter Wind kam auf. Er brachte die ersehnte Abkühlung von der Hitze des Feuers, die jetzt keiner mehr beachtete. Sie waren alle angespannt und warteten auf den Angriff. Nichts geschah. Mit einem mal kam ein kräftiger Wind auf der die Sicht klärte. Sie alle keuchten auf. Einige der tapfersten Soldaten krabbelten rückwärts in den Graben und beinahe auf der anderen Seite wieder heraus, bevor sie sich auf alle Viere begaben, sich aufrichteten und davon liefen so schnell und so weit ihre Beine sie tragen konnten.
Sie stand dort, mit einem Schwert auf der Schulter. Sie stand dort mit hoch erhobenen Kopf, sah nur einmal von rechts nach links. Sie war sehr weit von dem Graben entfernt, den sie gezogen hatten. Es sollte eine Verteidigungslinie sein, aber vor wem sie sich verteidigten wußten sie nicht mehr. Die Städte waren schon längst verwaist. Man traf nur noch selten Personen an. Und wenn man auf welche traf, waren sie auf der Flucht.
Die gespenstische Stille des Schlachtfeldes konnte auch das Knistern des Feuers nicht durchbrechen, noch konnte es die schmatzenden Schritte verdecken. Ihr Gesicht war ausdruckslos, ohne Gefühl. An ihrem rechten Auge war eine geschwungene Narbe. Sie sah sauer aus, oder sie bildeten es sich ein.
Viele hatten schon von ihr gehört, auch das sie unbarmherzig gegen ihre Feinde schlug. Sie setzte sich langsam in Bewegung. Nach einigen Schritten blieb sie stehen. Einige hielten den Atem an. Gewehre wurden hastig geladen. Einige fluchten, weil sie die Patronen fallen ließen. Sie waren alle nervös. Es herrschte eine gespannte Stille. Sie stand dort eine ganze Weile alleine. Es gab keinerlei Bewegung – nur sie, die dort einfach nur mit dem Schwert auf der Schulter stand. Ihnen erschien es wie eine Ewigkeit, bis sie weitere Bewegungen hinter ihr wahrnahmen.
Ein junger Soldat bemerkte, das hinter ihr Bewegung auf kam. „Seht mal da hinter ihr. Da tut sich was.“ Die Stimme des Jungen war panisch. Nach und nach stellten sich mehr und mehr hinter sie. Sie beobachteten mit wachsendem Grauen was dort geschah. Ihr Blick war eisig, fest und zu allem entschlossen.
Viele fingen nur bei ihrem Blick an zu Zittern. Wenn es einen Gott gab, dann beteten sie zu ihm und hofften er würde sie erhören. Hofften er würde sie vor ihr beschützen und davor bewahren zu sterben. Sie hatten unglaubliches von ihr gehört. Sie war durch viele gegnerische Linien geschritten, ohne das ein Schuß gefallen war. Sie hatten auch gehört, das die Soldaten tot aufgefunden worden waren deren Linien sie passierte. Manche munkelten, das sie kein echter Mensch, sondern eine Maschine sei. Sie schien keine Angst zu kennen, noch sich zu fürchten.
Jene die einmal auf sie getroffen waren und überlebten, flohen wenn sie Sie noch einmal sahen – und starben meistens durch die Kugel eines Vorgesetzten. Sie sahen das sich immer mehr hinter Sie stellten. Sie war nicht alleine. Sie schien eine Armee zu führen. Den Arm in dessen Hand sie das Schwert trug ließ sie langem sinken. Die Soldaten bekämpften ihre Panik. Die Vorgesetzten, so fern sie nicht selber desertiert waren, droschen auf sie ein. Sie sahen das sie langsam Schritt für Schritt ungehindert näher kam, die Soldaten im Schützengraben immer panischer wurden. Ihr Blick war fest auf etwas hinter ihnen gerichtet. Ihre Armee folgte ihr im gleichen Schritt in einiger Entfernung. Es war entsetzlich anzusehen. Wie eine einzige Gestalt eine ganze Armee in Panik versetzte und dabei ruhig über ein Schlachtfeld, von Blut getränkt matschig geworden, ging. Sie strauchelte nicht einmal. Sie schien nichts und niemanden zu fürchten. Die wenigen Mutigen die sie angriffen fielen neben ihr. Ihr Blut tränkte die Erde weiter. Niemand hatte gesehen wie sie ihr Schwert gezogen, jedoch wie sie es wieder weggesteckt hat. Sie stieg über die getöteten Körper und ging ungerührt weiter. Neben oder vor ihr fielen die Soldaten. Sie wich nicht aus, blieb noch nicht mal stehen. Sie ging unbeirrt weiter gerade aus. Ein Soldat folgte ihrem Blick. Weiter entfernt sah er den Kommandostand, vor dem ein Sternenträger stand. Er kombinierte sehr schnell. Unter seinem Regencape legte er sein Gewehr unbemerkt auf sie an. Sie war an den Graben heran gekommen. Sehr langsam wandte sich ihr Kopf in seine Richtung. Ihr Blick bohrte sich tief in seinen. Er wurde bleich und ließ zitternd die Waffe fallen. Er rutschte auf seinem Hintern durch den Matsch von ihr weg, bevor er sich umdrehte und wie wahnsinnig geworden, schreiend weglief. Wieder sehr langsam wandte sich ihr Kopf und sah nach vorne. Sie durchquerte den Graben ohne auf weitere Probleme zu stoßen. Manche hatten den Eindruck, das ihre Stiefel gar nicht die Erde berührten. Sie ging ohne Mühe, wirkte majestätisch, erhaben, würdevoll.
Ihre Armee wartete. Sie rührten nicht ein Finger. Nicht ein Schuß fiel. Es war nicht ein Geräusch zu hören, außer dem Knallen der Banner und Fahnen die sie trugen. Banner? Fahnen? Erst jetzt war einigen aufgefallen, das die Armee vor ihnen auf moderne Kriegswaffen verzichtet hatten, und doch waren sie ihnen überlegen gewesen. Sie hatten sie beinahe vernichtend geschlagen.
Sie ging unbeirrt weiter. Niemand wagte sich mehr an sie heran. Sie strahlte etwas unnahbares aus, aber auch etwas das keiner von ihnen beschreiben konnte. Sie wollte nur eines: diesem unsinnigen Krieg ein Ende bereiten. Sie war keine Heldin, sie war einfach nur sauer.
Sie schloß die Augen als sie unbeirrt weiter gerade aus auf den General zu ging. Sie erinnerte sich an vieles, sah Bilder vergangener Schlachten. Sah wie sie auf jemanden getroffen war und sich mit ihm auf dem Schlachtfeld gemessen hatte. Sie obsiegte, darauf war sie trainiert worden. Leute führen und gewinnen – einen Krieg gewinnen. Sie wollte nichts weiter als ihre Ruhe. Ungewollt, von ihr selber unbemerkt war sie zu einer Anführerin geworden die bald ein großes Heer hinter sich hatte. Sie erinnerte sich, und sie schwieg. Jeder ging ihr aus dem Weg. Es herrschte eine gespenstische Stille über dem Lager, durch das sie langsam mit geschlossenen Augen schritt. Wenn es etwas gab, was sie am meisten verabscheute, dann war es Krieg und das man ihr ihren Frieden nahm. Sie war es leid, die Kriege anderer führen und beenden zu müssen, weil sie selber nicht mehr dazu in der Lage waren. Die Soldaten stoben an die Seite, als sie langsam den Kopf hob und noch langsamer die Augen öffnete. Sie war es leid. Irgendwann war einfach genug. Sie war es leid immer wieder in die gleiche Rolle gestoßen zu werden, nie Frieden zu haben.
Einige kamen aus den Seitengassen des Lagers auf sie zu gerannt um sie aufzuhalten. Noch bevor sie die junge Frau erreichten flogen sie in die gleiche Richtung aus der sie kamen zurück. Sie hatte nicht eine Hand erhoben, noch ihren Kopf gewendet. Sie zeigte keinerlei Regung. Immer wieder versuchte man sie anzugreifen. Nur einmal hob sie ihren Arm und ihre Hand schien etwas zu umschließen. Irgendwo einige Schritt von ihr entfernt röchelte ein Soldat und stürzte seinem Gewehr hinterher zu Boden. Sie schritt weiter. Ohne das auch nur ein Schuß gefallen war, verübte sie ein Massaker und löschte beinahe ein ganzes Lager von gut ausgebildeten Soldaten aus.
Sie selber versuchte unnötiges Blut vergießen zu vermeiden. Sie verletzte und machte kampfunfähig, auch wenn es anders aussah. Sie hatte nur einmal in diesem unsinnigen Krieg getötet, und das nur weil sie keine andere Wahl mehr hatte. Weil man sie zu etwas gezwungen hat, was sie nicht wollte. Sie haben sie in ihren Krieg gezwungen. Sie haben ihr ihren Krieg aufgezwungen.
Ihre Armee behielt nach seine Position bei. Sie warteten ab. Die Soldaten im Schützengraben waren unsicher. Sie verstanden nicht was vor sich ging. Wie sollten sie auch? Mit etwas in dieser Größenordnung hatten sie es bisher noch nie zu tun gehabt. So etwas lernte man nicht in einer Akademie, oder einer Kaserne. So etwas stand in keinem Lehrbuch. Sie konnten nicht verstehen was vor sich ging. Diese Art von Gegner kannten sie nicht. Mit dieser Art von Gegner konnten sie nicht umgehen, denn sie sahen nicht worauf sie schießen sollten. Noch weniger kamen sie damit klar, das eine einzige Frau eine ganze Armee besiegte ohne das sie einen Schuß abgefeuert hatte.
Sie hatte es nicht eilig. Sollten sie es nur weiter versuchen. Immer wieder wurden Angreifer zurück geschleudert oder gingen röchelnd zu Boden. Entweder sie sah denjenigen direkt an oder sie hob einen Arm und schloß ihre Hand langsam zu einer festen Faust, als würde sie etwas umschließen. Kurz darauf sank immer einer zu Boden – röchelnd, um Luft japsend. Sie blieb stehen und ließ die Soldaten sie angreifen. Sie erinnerte sich.
Der General sah abwartend zu ihr. Er hatte schon von ihr gehört und war auf sie gespannt gewesen. Er glaubte, das sie sich vieler Tricks bedienen würde, die seine Soldaten einschüchtern würden. Er blieb ruhig stehen, die geladene Waffe in der Hand. Wenn sie nah genug war, würde er damit auf ihren Kopf zielen und diesem Spuk ein für alle mal ein Ende bereiten. Er würde ihnen beweisen, das sie auch nur aus Fleisch und Blut war.
Nebel war im Lager entstanden. Er war dicht und beinahe zum Greifen. Langsam setzte sie sich wieder in Bewegung, nach dem die Angriffe auf sie nachgelassen hatten. Es gab kaum noch einen Soldaten der stehen konnte. Von dem Nebel geschützt schritt sie weiter durch das Lager. (Wir führen anders Krieg. Diese Art von Krieg seid ihr nicht gewohnt. Wir schon.) Sie hob ihren Blick und sah den General kalt von unten her an. Der Nebel hatte sie freigegeben, als sie dicht vor dem General stand. Dieser war entsetzt einen Schritt zurück getreten und beinahe gestolpert. Er war in die Ecke getrieben, seine Soldaten blind von dem dichten Nebel. Sie würden sie noch nicht mal sehen, wenn sie direkt vor ihnen stand. (Ich habe kein Problem damit Euch zu töten. Wir wollen, das endlich Frieden ist. Es ist nicht unser Krieg. Ihr habt ihn uns aufgezwungen. Es ist jetzt unser Kampf. Beendet es, oder wir tun es! Wenn wir es tun, wird für euch nicht mehr viel übrig bleiben.) Sie zog sich zurück und wurde sofort wieder von dem Nebel eingeschlossen. Die Leibwachen des Generals wirkten orientierungslos und hielten ihre Waffen nervös in jede Richtung. Sie lächelte kurz und freudlos. Sie sahen sie nicht, als sie an ihnen vorbei ging. Der General wirkte, als wäre er von ihrer Erscheinung eingeschüchtert worden und hätte sich in die Hose gemacht. (Ich bin nicht allein. Ihr habt es zu unserem Kampf gemacht – und ihr werdet verlieren.) „Wer bist du?“ (Diese Frage stelle ich mir jedesmal, wenn ich mein Gesicht im Spiegel betrachte.) Sie setzte ihren Weg durch das Lager fort. Sie wußte genau wo sie hin wollte, wo ihr Ziel war. Sie hatte den Plan auswendig gelernt. Immer wieder flogen Soldaten die ihr zu nah kamen, sie jedoch nicht sahen, zurück. Sie faßte mit einer Hand in ihre Jacke, die sie ein wenig aufgemacht hatte und zog etwas größeres aus Stoff hervor. (Wir haben genug davon auf Lager. Ein kleines Souvenir von uns.) Sie trat an den Mast der Flagge, nach dem sie sich vergewissert hatte, das der Nebel dicht genug war und sie dort alleine war. Sie holte die Flagge ein, schloß kurz die Augen. Ihr habt ihn uns aufgezwungen, dachte sie, bevor sie Flagge entfernte und das „Souvenir“ befestigte und hißte. (Genau genommen gehört das Lager nach Kriegsrecht jetzt uns.) Sie drehte sich um. (Und wenn alles so verläuft wie immer, ist das Lager jetzt in unserer Hand.) Sie hatte keine Eile. Ihr Blick war wieder nur auf einen Punkt gerade aus gerichtet, als sie den Platz verließ.
Langsam löste sich der Nebel auf. Überall hörte man es Stöhnen, sah man Soldaten die mit erhobenen Händen auf die Spitze von Schwertern und anderen Waffen sahen. Der General sah sie vor sich stehen. Er griff nach seinem Adjutanten, den er hart an der Schulter faßte und auf die Beine zwang. Er bellte ein paar Befehle. Sie lächelte kurz und warf einen Blick um sich, als wollte sie sagen, dass es niemanden mehr gibt um seine Befehle auszuführen. (Und dieses mal Mon General, nehmen wir das Lager ein. Wir beanspruchen dieses Lager für uns! Es steht unter unserer Kontrolle. – Es liegt an Euch, wie es nun weiter geht.) Er folgte ihrem Blick und wurde bleich. (So kann es gehen, wenn man mich mit hineinzieht. Ich habe die Schnauze voll, von euren ewigen Kriegsspielen, weil ihr einfach nicht dazu lernen und erwachsen werden und euch weiter entwickeln wollt. Ihr tretet viel lieber auf der Stelle und spielt blinde Kuh.) Sie schüttelte seicht den Kopf. (Ihr hättet mich wirklich nicht in euer Kriegsspiel hineinziehen dürfen, denn damit habt ihr euren eigenen Untergang besiegelt.) Sie wandte sich um. (Führt ihn ab!) Sie blieb stehen, hob den Kopf und sah wieder geradeaus. „Behandelt ihn gut.“, sagte sie und warf dabei einen Blick über ihre Schulter. Sie schritt wieder durch das Lager, wie sie in das Lager gekommen war. An einem größeren Zelt sah sie zwei Männer stehen. Sie lächelte leicht und schüttelte den Kopf als sie Haltung annahmen. Sie seufzte, als sie das Zelt betrat. Mit einer Hand faßte sie sich an das rechte Auge. (Es dort zu haben und hier spüren ist das eine, aber es an zwei Orten zu haben, macht es nicht leichter. Ich schwöre dir, ich bringe dieser Welt den ersehnten Frieden zurück.)
Die Soldaten die geflohen waren verbreiteten das Gerücht, das der Cyborg wieder zugeschlagen und wieder eine Einheit vernichtet habe. Wieder hatten sich ihr welche angeschlossen. Wieder war ihr Heer gewachsen. Sie hatte ihnen die Wahl gelassen.
Damals war sie erfahrener. Heute mußte sie sich vieles erarbeiten. Dieses mal ritt sie nicht auf einem schwarzen Schlachtroß allen voran. Dieses Mal ging sie alleine vor – um schon mal ein wenig Eindruck zu schinden, bis ihre Armee kam – und sich hinter ihr aufbaute.

Sie stand auf der Anhöhe und sah zu den Sternen. Sie schloß ihre Augen und senkte traurig den Kopf. Es würde nie leichter werden. Sie erwarteten das Sie sie führte. So bald der Krieg vorbei und der Frieden wieder hergestellt war, würde sie wieder verschwinden. Sie hatte genug davon.
„Cyborg.“ flüsterte sie. Sie sah auf den Schatten der ihre Hand darstellte. „Ich wünschte ich wäre einer, dann wäre sehr vieles so viel einfacher.“ „Und es würde noch mehr Blut vergossen werden. Gerade, weil du bist wie du bist, gibt es so wenig Blut vergießen. Die schiere Anzahl derer die dir folgen ist überwältigend und Angst einflößend. Sie macht einem die eigene Bedeutungslosigkeit und Unterlegenheit sehr deutlich.“ Sie sah mit einem Seitenblick abwartend zu der Silhouette der Sprecherin. „Sie ...“ „Sie ist tot!“ fuhr sie ihr dazwischen. „Ihr Krieg hat sie getötet.“ Ihre Stimme war voller Bitterkeit und Schmerz. „Ich habe nichts mehr zu verlieren, denn mit ihr starb auch ich. Ihr Nebel ist alles was mir noch geblieben ist.“ Sie wandte sich um. Die Tränen in ihren Augen sah sie nicht. „Morgen werde ich nach Aressa gehen. Ihr werdet wie immer nachkommen – und meinen Anweisungen Folge leisten.“ Die Frau verneigte sich leicht. „Meine Herrin.“ Sie machte eine protestierende und verächtliche Kopfbewegung. Ihr entfuhr ein Geräusch, das ihren Unmut preis gab. „So durfte mich nur eine nennen und nur eine nannte ich meine Herrin – und die ist tot.“, fauchte sie. Sie war wütend, wie immer wenn sie von ihr sprachen. Sie war wütend, weil sie noch immer lebte und sie nicht. Sie war wütend, weil sie es nicht geschafft hatte, sie zu beschützen. Sie war wütend, weil egal was sie tat sie nie verletzt worden war. Egal wie dicht der Kugelhagel, wie viele Raketen und Bomben neben ihr einschlugen – sie wurde nie verletzt. Je stärker sie sich in Gefahr begab, je mehr Versuche sie machte um zu sterben, desto weniger gelang es ihr. Sie erhielt nie auch nur einen Kratzer. Das sie sich alleine jeder Armee, jeder Einheit entgegen stellte, hatte nur einen Zweck: sie wollte endlich sterben. Je mehr sie es versuchte, desto mehr wurde sie das, was sie nicht sein wollte. Sie hatte sich bis heute geweigert ihr Schicksal anzunehmen, auch wenn es sehr ironisch war, das sie genau jetzt die ihr zugedachte Rolle eingenommen hatte. Sie hatte nicht vor, am Ende dieses Krieges durch die Reihen derer zu schreiten, die ihr folgten und am Ende eines langen Ganges auf einen Thron zu steigen um zu herrschen. Sie war weder eine Heldin noch einer Herrscherin, sie hatte einfach nur eine Todessehnsucht. Diese Sehnsucht hatte sie zu dem gemacht, was sie jetzt ist. „Glaubst du, das du so den Krieg gewinnen kannst?“ „Nein, aber es ist das was sie sich von mir gewünscht hätte, auch wenn ich nicht bereit bin mein Schicksal zu erfüllen. Sie ist nicht an meiner Seite, deswegen gibt es für mich auch keinen Grund, mehr zu tun als nötig. Ich tue das nicht für mich, oder für all die anderen – ich tue das alleine für sie und weil es ihr Wunsch an mich war, den Frieden wieder herzustellen.“ Sie wandte sich um. „Ich weiß, das du dir nichts mehr wünschst als zu sterben um bei ihr zu sein, aber das Schicksal ...“ „Ich verfluche mein Schicksal und was es mir angetan hat. Wir wurden schon wieder betrogen. ICH wurde schon wieder betrogen. Ich bin diese Welt mit all ihren Kriegen und Blut vergießen leid.“ Die ältere Frau kam langsam näher. „Wieso bist du eigentlich immer noch an meiner Seite? Sie war deine Freundin, nicht ich.“ Sie kannte die Antwort, und deswegen hatte sie sie nicht fortgeschickt. Sie war das einzige Bindeglied zwischen ihr und der Welt der Geister, wo ihre Gefährtin war und noch immer ein wachsames Auge auf sie hatte. Sie wußte genau, was sie versuchte. Sie wußte genau, das sie sich selber nicht das Leben nehmen würde, aber das sie umso mehr das Risiko, die Gefahr suchen würde um zu sterben. „Das weißt du. Sie bat mich, auf dich aufzupassen, wenn ihr etwas geschehen würde. Sie wollte dich nicht alleine wissen, weil sie dich genau kennt. Sie wußte, was du tun würdest.“ „Ja, und genau das macht scheinbar unbezwingbar.“ „Sie paßt noch immer auf dich auf.“ Sie wandte den Kopf und sah über ihre Schulter. „Sie wird nicht ewig verhindern können ...“ „Und du wirst es nicht ewig versuchen.“ Sie ballte die Hand zur Faust. Das Leder knirschte. „Sei dir da nicht so sicher.“ Ihr Stimme war rau von unterdrückter Wut, Schmerz und Tränen, die sie mühsam zurück gehalten hatte. „Irgendwann werde ich den Tod finden. – Ich will nichts mehr, als bei ihr sein.“ Die ältere Frau sah ihr leicht Kopf schüttelnd hinter her. „Es ist nicht so leicht, auf deinen Wildfang aufzupassen, meine Freundin. Sie ist ziemlich stur, aber das weißt du ja selber. – Sie wird es morgen wieder versuchen, und übermorgen und den Tag darauf. Sie wird es immer wieder versuchen.“ flüsterte sie und zog ihre Jacke leicht fröstelnd enger um sich. „Ihre Todessehnsucht, ihr Wunsch zu sterben hat sie so wagemutig gemacht. – Ich werde mich bald nach einer Nachfolgerin umsehen müssen. Jemand der meinen Platz einnimmt. Ich werde nämlich auch nicht jünger wie du ja weißt. Im Gegensatz zu ihr altere ich normal. Ich könnte fast neidisch auf sie sein. Bis auf die Verletzung an ihrem Auge sieht sie noch immer aus wie an dem ersten Tag wo ich sie traf.“ Die ältere Frau ging vor sich hin brabbelnd langsam weiter. Die Männer und Frauen die ihr begegneten sahen sie fragend an, äußerten sich jedoch nicht. In ihrem Lager, in ihrem Heer waren außergewöhnliche Personen, mit ungewöhnlichen Kräften normal.

Müde betrat sie ihr Zelt. Sie warf sich auf einen Stuhl, legte die Füße auf den Tisch und strich mit einem Finger über die Narbe an ihrem Auge. Ihre Augen hatte sie kurz geschlossen. Sie erinnerte sich, das sie oft ihren Kopf zurück gezogen hatte, wenn sie ihr darüber gestrichen war. Jetzt sehnte sie sich nach ihrer Berührung.
(Wie vergänglich das Leben doch ist. Wie zerbrechlich doch die menschlichen Körper sind.) Ihre Wut und ihre Sehnsucht nach dem Tod hatten sie zu einer Heldin gemacht, einer Anführerin die sie nie sein wollte. Sie suchte nur den Tod, stattdessen fand sie immer das Leben. Wütend fuhr sie auf. Sie warf den Tisch und den Stuhl um. Sie tobte so lange bis sie sich leer fühlte und die Wut für den Moment vergangen war. Sie einfach nur da stand, mit hängendem Kopf und Tränen in den Augen, bevor sie mit einem erstickten Schluchzen weinend in die Knie ging. Ihr Blick heftete sich auf ein Bild, auf dem eine Frau mit warmen Augen und hellen Haaren zu sehen war. Zu Anfang hatte sie einen Altar für sie errichtet. Bis ihre Adjutantin das übernommen hatte. Jene, die ein Überbleibsel von ihr war, die ihre Gefährtin geworden war. Sie war die einzige Verbindung zu ihr, die sie noch hatte. Sie bereitete ihr jedesmal ein Zelt abseits von anderen vor und richtete es entsprechend ein. Sie mußte sich so um nichts mehr kümmern. Hier konnte sie toben und ihrer Wut freien Lauf lassen. Hier störte es niemanden. Keiner würde Fragen stellen.
Noch bevor die Sonne aufging legte sie zwei Finger auf ihre Lippen, die sie dann auf das Bild legte. Ihr trauriger Blick wurde hart und entschlossen.
Noch bevor der Morgen graute, hatte sie ihr Zelt in dem sie ein Chaos hinterlassen hatte – verlassen und sich auf dem Weg gemacht. Sie wußte das man sie beobachtete. Ein paar wenige schlossen sofort zu ihr auf, die anderen würden folgen, wenn das Lager abgebaut worden war.

An diesem Tag würde eine andere Frontlinie das Grauen durch sie erfahren.
Sie stand dort mit geschlossenen Augen. Sie drehte sich nicht um, als sie hinter sich Geräusche hörte. Erst waren es nur eine handvoll, aber sehr schnell wurde aus dieser Handvoll eine Armee, die sich hinter sie stellte. Sie spürte wie sie stärker wurde, wie Energie in sie floß und sie stärker, unbesiegbar machte.
Cyborg. Ha. Sie war auf der Suche nach dem Tod, der sich irgendwo da draußen vor ihr versteckte und sich weigerte vor sie zu treten. Es war der Tod, der sie zu dem machte, was sie geworden war. Es war immer wieder ein neuer Versuch zu sterben. Da sie nichts mehr zu verlieren hatte, war es ihr egal was dort auf dem Schlachtfeld mit ihr passierte. Sie war schon längst gestorben. An dem Tag, als man ihr das nahm, was ihr am Wichtigsten geworden war: ihre Gefährtin.
Sie hob langsam den Kopf und sah entschlossen geradeaus, als sie spürte das eine entsprechende Menge an Leuten hinter ihr standen. Ihr Blick war vernichtend. Sie stand dort eine ganze Zeit einfach nur mit gesenktem Kopf, geschlossenen Augen und wartete ab. Bis sie wußte, das die Reihe hinter ihr dichter geworden war. Sie alle waren bereit zu kämpfen, wenn sie es befahl. Wenn.
Es mußte immer wieder beeindruckend auf der anderen Seite wirken, wenn der Wind den Qualm weg blies und freie Sicht auf die andere Seite gab, wo nur eine einzige Person stand, hinter die sich nach und nach mehr und mehr stellten.
Sie wollte sterben, ja, sich aber nicht abschlachten lassen. Sie wollte erst den finden, der ihre Gefährtin auf dem Gewissen hatte. Er würde der zweite sein, den sie tötete und er würde dazu verdammt sein, ihr bis in alle Ewigkeit und darüber hinaus zu dienen. Sie wollte nur Gerechtigkeit, nicht mehr.

Wieder schritt sie langsam über das blutgetränkte Schlachtfeld, mit starrem Blick nach vorne. Dort vorne war sie, wartete auf sie. Jedesmal wenn sie so durch die Reihen der Feinde schritt und sie nach und nach kampfunfähig machte, sah sie nur sie vor sich. Sie kämpfte nur für sie und einen gemeinsamen Traum, den sie einst hatten. Ihr Nebel würde sie beschützen. Das war alles, was ihr von ihr geblieben war – und die Wut, die sie nährte. Die Wut, die ihr die Entschlossenheit gab.
Oft verbarg der Nebel auch die Tränen die ihr über das Gesicht liefen. Sie waren wieder betrogen worden. Wenn sie entschlossen durch die Reihen schritt, stellte sie sich vor, sie würde ihn darunter finden. Sie beobachtete teilnahmslos wie die Soldaten von ihr weg geschleudert wurden. Es interessierte sie nicht, wie sie aufkamen und ob sie verletzt waren. Für sie stellte jeder Soldat jenen da, der ihr das Liebste genommen und sie wieder zu dem gemacht hat, was sie nicht mehr sein wollte: eine Kriegerin!
Sie schritt mit starrer Miene durch die Reihe ihrer Gefolgsleute, die oft Soldaten festhielten. Diese begegneten ihrem Blick, wenn sie sie ansah, feindselig und versuchten sich loszureißen um sie anzugreifen. Sie standen Spalier, bis zu dem Zelt des kommandierenden Offiziers dieser Einheit, der sie erwartete. Über dem Lager wehte ihre Flagge. Diese Schlacht hatten sie wieder gewonnen. Den Krieg würden sie auch gewinnen.
Sie war eine Todessucherin und gleichzeitig eine Friedensbringerin, welche Ironie. Eigentlich verfolgte sie ganz andere Absichten: sie wollte sterben und nicht Frieden bringen. Auf der Suche nach dem Tod, brachte sie Frieden. Das Schicksal nahm seltsame, verworrene Pfade um jemanden doch zu erwischen. Egal was man anstellte, man konnte seinem Schicksal nicht entkommen. Auf die ein oder andere Weise würde es sich ja doch erfüllen, einen einholen. Sie trat in das Zelt um die Kapitulation entgegen zu nehmen. Die Gefangenen vor die Wahl zu stellen und laufen zu lassen. Sie hatte die Sympathie vieler für sich. Sie tötete nicht und sie hielt auch niemanden gegen seinen Willen fest. Wer bleiben wollte, blieb, wer nicht der konnte unbeschadet gehen. Es kam, wie in diesem Fall, auch vor, das sich höher gestellte Offiziere auf ihre Seite schlugen, weil auch sie des Krieges müde waren, dessen Sinn sie schon lange vergessen hatten.
Sie standen oft auf verbrannter Erde, wenn sie kapitulierten oder sich ihr anschlossen. Zu lange schon tobte dieser Krieg, nach dessen Ende sich sehr viele sehnten.

Sie erhielt ihren alten Glanz, ihren alten Ruhm zurück. Ihr Name und ihre Taten würden ihr wieder weit voraus eilen und die Masse derer die ihr folgten vergrößern.
Sie würde ihn finden, Gerechtigkeit üben und dann vielleicht endlich von dem Fluch der wohl auf ihr lag befreit werden und bei ihr sein können. – Doch bis dahin, würde sie für das kämpfen und eintreten woran sie beide geglaubt haben: Frieden. Aber eine Welt, wie sie sich erträumt hatten, eine Welt in der es sich für jeden zu Leben lohnte, gab es ohne ihre Gefährtin für sie nicht mehr. Sie glaubte nicht an Wunder. In dem Moment wo sie in ihren Armen gestorben war, war auch sie unweigerlich mit ihr gestorben. Für sie gab es nur sie, niemanden sonst. Eine Welt ohne sie, kam ihr nicht in den Sinn. So war sie zur Todessucherin geworden. Wie zwecklos das alles war. Das Schicksal ließ sich einfach nicht betrügen. Sie würde leben, eine Anführerin wider Willens sein, bis sie den Mörder ihrer Gefährtin fand. Und wenn sie nebenbei ein wenig für Frieden und Ruhe sorgte, auch gut, dann hatte sie wenigstens noch ein wenig was sinnvolles auf dem Weg zu ihm gemacht.

Als sie die Augen öffnete war sie erleichtert in vertraute Augen zu sehen. „Ist es vorbei?“ Ein Lächeln antworte ihr. „Du hast auch genug angestellt, denke ich. Das reicht für zwei Leben oder mehr.“ Sie erhob sich und sah kurz auf ihr Kissen zurück. „Bereust du es?“ „Bereuen?“ Sie wirkte kurz nachdenklich, dann schüttelte sie den Kopf. „Nein. Bedauern vielleicht, aber nicht bereuen. Eine Welt ohne dich ist nicht die Welt, die ich mir wünsche. Für mich kann und wird es nur eine Welt mit dir geben.“ Sie stand mit der Hilfe ihrer Gefährtin auf. „Ein Leben ohne dich an meiner Seite, will ich nicht haben.“ Ihr Blick war fest und entschlossen. Ein junges Mädchen kam herbei geeilt und überreichte ihr ein Tuch. Sie setzte sich auf die Kante des Bettes. Mit dem leicht feuchten Tuch wischte sie sich über das Gesicht. „Aber ich wollte es ja unbedingt wissen.“ Zwei Hände legten sich an ihr Gesicht. Sie hob den Blick und sah in warme liebevolle Augen. „Und?“ „Ich habe dazu gelernt. Ich verzichte auf eine reale Erfahrung.“ „Wirst du es mir irgendwann erzählen?“ Sie stand auf und lächelte breit und leicht verschlagen, während sie den Brustharnisch anlegte. „Ja, vielleicht.“ Sie nahm ihr Schwert auf und gürtete es. Ihre Gefährtin reichte ihr ihren Helm. Sie seufzte. „Was?“ „Ich mag den Helm einfach nicht.“ „Er gehört aber nun mal dazu.“ Sie setzte einen ironischen Blick auf. „Sagt wer?“ „Ich.“ „Wieso frage ich eigentlich? – Man findet mich auch ohne diesen Helm. Die Zielscheibe prangt ja schließlich sehr deutlich auf meinem Harnisch.“ „Kera!“ „Ja was? Wo ich Recht habe, habe ich Recht. Nur in Sachen Zielen, da müssen sie alle noch üben.“ „Man macht mit so etwas keine Scherze.“ Sie trat keck lächelnd auf ihre Gefährtin zu und legte ihr sanft eine Hand an das Gesicht und bedachte sie mit einem zärtlichen Blick. „Ich habe bis heute nicht einen Kratzer abbekommen, worüber ich außerordentlich dankbar bin. – Wenn ich wieder komme, werde ich dir alles erzählen.“ „Komme heile wieder.“ Sie nickte und wandte sich um. Im Vorbeigehen nahm sie ihren Helm auf, den sie unter dem Arm trug und befestigte ihren blauen Umhang an der silbernen Rüstung. Das einfallende Licht das auf die silberne Rüstung fiel blendete sie. Sie sah schemenhaft wie Kera, noch einmal mit einem zärtlichen Blick zu ihr sah, bevor sie den Helm aufsetzte und die Plane herunterfiel. Sie würde auf ihren schwarzen Hengst steigen und sich vor allen an die Spitze setzen. Sie bat das junge Mädchen sich aus dem Zelt zu entfernen und gab ihr bis zur Rückkehr ihrer jungen Gefährtin frei. Das Kind verneigte sich und verließ eilig das Zelt. Die Wache wies sie an sie nicht zu stören.
Alles war vorbereitet. Sie ließ die Robe von ihrem Körper auf den Boden gleiten. Ihr helles, langes Haar fiel locker auf ihre Schultern und ihren Rücken. Kera würde zu ihr zurückkehren, denn auch für sie war eine Welt ohne Kera nicht mehr die selbe. Ungeachtet ob sie noch einen Gefährten hatte oder nicht. Kera gehörte dazu. Auch, wenn es oftmals sehr schwierig mit ihr war, weil sie ein sehr hitziges Gemüt hatte und immer gerne voran stürmte. Es lag an ihr, sie auch mal zurück zu halten und vor unbedachten Handlungen zu bewahren. Kera hatte eine seltsame Art ihre Zuneigung zu zeigen. Mit der Zeit, vor allem wenn man sie kannte, gewöhnte man sich daran. Trotzdem mußte sie sie oft zurück halten. Es lag nicht daran das sie jünger war, sondern daran wie sie – erzogen worden war. Vielleicht würde Keras Panzer eines Tages so weit aufbrechen, das auch sie die Worte sagen konnte, die sie so sorgsam vermied.
Sie würde dafür sorgen, das sie am Ende des Tages unbeschadet zu ihr zurück kam, wenn auch müde und erschöpft. Besser müde und erschöpft als schwer verletzt, wie es zu Beginn ihrer Bekanntschaft oft der Fall gewesen war. Deswegen war es für sie auch nicht in Frage gekommen, Kera alleine los ziehen zu lassen. Irgendwer mußte sie im Auge behalten und ein ebenso wachsames Auge auf sie haben. Aber mit in die Schlacht und auf das Schlachtfeld würde sie niemals ziehen, auch weil Kera krank vor Sorge wäre und ihr nicht einen Schritt von der Seite weichen würde, aus Angst, das ihr irgendwas passieren würde. Hier konnte sie ihr viel besser helfen.
Sie würde nie erfahren, wenn es nach ihr ging, wer dafür sorgte, das ihr nie etwas geschah und im Stillen über sie wachte. Wenn sie etwas wußte oder ahnte so schwieg Kera. Sie konnte und wollte nicht zulassen, das ihr noch irgendwas geschah. Eine Welt ohne Kera, konnte sie sich einfach nicht vorstellen. Sie lächelte leicht. Sie wollte sich auch keine Welt ohne Kera vorstellen. Sie kannte eine Welt ohne sie.
Der Rauch stieg zu dem Dach des Zeltes und breitete sich sanft aus. Mit ihm kam ein angenehmer, süßlich und doch holziger hypnotisierender Geruch. Sie richtete ihren Blick nach innen und sah auf eine glatte Oberfläche. Dort bildete sich langsam eine Gestalt. Auch vor ihren geistigen Auge sah sie Kera in ihrer silbernen Rüstung und dem blauen Umhang an der Spitze ihres Heeres reiten, mit einem festen entschlossenen Blick. Am Ende dieses Krieges würde sie den lang ersehnten Frieden bringen. Im Stillen fragte sie sich, ob die Jüngere wirklich ihre Lektion gelernt hatte. Falls nicht, würde sie gerne noch mal ein wenig nachhelfen, aber jetzt galt es sie zu beschützen und sicher zu ihr zurück zu geleiten. Am Ende des Tages würden beide sehr erschöpft sein. (Suchst du noch immer den Tod, oder das Leben?) In Gedanken strich sie ihr über das Gesicht. (Hat meine Liebe zu dir dich erreichen und so weit verändern können? Solltest du noch immer den Tod suchen, werde ich ihn von dir fern halten. Du wirst sicher zu mir zurück kehren.) Sie seufzte. Sie kannte Kera und ihr draufgängerisches Wesen, ihre Bereitschaft Risiken einzugehen nur zu gut. Es lag an ihr, ihr Wesen und sie ein wenig zu zügeln, in die entsprechende für sie vorherbestimmte Richtung zu lenken. Sie war eben ein richtiger Wirbelwind. Irgendwann würde sie ruhiger werden, aber bis dahin mußte sie mehr als ein wachsames Auge auf sie haben und auf sie aufpassen.
Sie lockerte noch einmal ihre Muskulatur. Es würde ein langer und anstrengender Tag für beide werden.

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Ich bitte als Autorin für mich und meine Werke um Respekt.

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Lady of the Light/Kaoi Masteres (DVH)

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