Info Kästchen

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Es stehen zwei neue Episoden der Kriegerin in den Startlöchern.
Derzeit lese ich die Episode Korrektur, die bereits Dezember 2016 geschriebenen wurde.
Was sich aber leider auf Grund von Schlafstörungen und damit einhergehenden Konzentrationsstörungen noch ein wenig hinziehen kann :/.

Deswegen: Gesucht werden: 1 - 2 Beta-Leser/innen!

Sehr gute Kenntnisse der alten UND neuen deutschen Rechtschreibung etc. (für den Fall, daß …),
sowie Libre bzw. Open Office & Skype (o.ä.) benötigt!
Was Du mitbringen mußt?
Zeit, Spaß bei dem Lesen und Interesse für Fantasy bzw. Epik,
aber auch gute Ideen für Verbesserungsvorschläge (kosmetischer Natur ;) ),
so wie ein gutes "Händchen" für das Thema. Einfühlungsvermögen nennt man das glaube ich ...
Da die Geschichten der Kriegerin von mir nicht am Fließband geschrieben werden,
kann es auch mal Monate oder bis über ein Jahr dauern, bis eine neue Episode von mir geschrieben wird.
Gibt also nicht immer etwas von mir zu tun ;).

Bei Interesse bitte via PN mit Angabe einer EMail/Messenger Adresse bei mir melden.

Samstag, 30. April 2016

©Die Kriegerin - Der Schmerz der Kriegerin

Bei dieser Geschichte bitte den Flash Player oben auf der Seite ausmachen! Musik läuft im Hintergrund.
Achtung:
Diese Geschichte geht mitunter an die Substanz! Empathen empfehle ich dringend, sich abzuschirmen oder diese Geschichte zu meiden!

Anmerkung: Mit diesem Lied habe ich die Geschichte geschrieben. Vielleicht kommt so besser rüber, was ich teilweise nicht in Worte ausdrücken kann, weil es dafür einfach (noch) keine Worte gibt.
Viele andere von/über sie schrieben sich leichter und schneller, diese nicht. Diese Geschichte hat es in sich! Sie hat sehr viel mehr von mir abverlangt, als all die anderen, die von dieser Kriegerin handeln. Sie ist im Prinzip der Anfang. Der Ursprung ihrer Entscheidung die im Der Ruf der Kriegerin zu lesen ist. All die Geschichten mit Soei Arman Deran, sind Einzelgeschichten und greifen doch ineinander über. Wenn auch nicht sofort etwas Sinn ergibt, wird es das mit Sicherheit in einem anderen Teil ihrer Geschichte. Doch, bis sie einander ergänzen und Sinn ergeben, kann und wird es eine Weile dauern, denn ich werde mich nicht hinsetzen und zwingen, etwas über sie schreiben. Ich muß warten, bis es an der Zeit ist, und ich einen neuen Teil erhalte, mit dem ich arbeiten kann. Alles zu seiner Zeit, und dann, wenn es sein soll. In diesem Sinne: starke Nerven und viele Taschentücher ^_~.

Der Schmerz der Kriegerin
© by DVH 2014


Sie saß still und beobachtete die Frau mit einem undefinierbaren Blick. Sie konnte gerade eben so erkennen, wie ihre Haltung war. Mehr aber spürte sie, was in ihr vor sich ging. Sie konnte ihre Anspannung wie ihre eigene spüren, ihren Schmerz, aber auch ihre Einsamkeit, die sie förmlich hinaus schrie. Sie hatte sehr viel Verständnis für diese junge Frau, der sie – gegen ihren Willen – zugeteilt worden war. Es war ihre Aufgabe auf sie zu achten. Sie wußte, daß sie Zeit brauchte. Zeit, um das alles zu verstehen und zu begreifen, was geschehen war. Sie hielt sich mit Absicht zurück und ließ sie erst einmal in Ruhe. Leicht senkte sie den Kopf, ohne dabei die junge Frau aus den Augen zu lassen. Schon einmal war sie verschwunden, als sie einmal kurz nicht hingesehen hatte. Doch dieses Mal sagte ihr Gefühl, daß sie nicht wieder verschwinden würde. Sie erinnerte sich an den Anfang, an den Tag, als sie ihr das erste Mal zugeteilt worden war.
Vor vielen Umdrehungen des Planeten war sie das erste Mal in dem Tempel der großen Mutter gesehen worden. Wohin sie dann verschwunden war, wußte sie nicht. Eridian fragte auch nicht danach. Als sie wieder aufgetaucht war, wurde Eridian ihr als Priesterin zu ihrer Seite gestellt. Die Fremde, deren Blick ausdruckslos wirkte, wurde ihr als erste Kriegerin der großen Mutter vorgestellt. Es sollte Eridians Aufgabe sein, sie alles über Gebräuche, Sitten und Sprachen zu lehren, die es in den fünf Reichen, der fünf großen Städte, gab. Damals war die Kriegerin nicht mit ihrer Anwesenheit einverstanden, das hatte sie gespürt. Ihr Blick hatte den ihren festgehalten. Es schien, als könne sie bis in den hintersten Winkel ihrer Seele zu sehen. Eridian wand sich innerlich. Nichts schien vor ihr verborgen zu sein. Schließlich nickte die Kriegerin kurz, und die große Mutter schien erleichtert.
Wann immer sie es zu ließ, hatte sie der jungen Frau alles beigebracht, auch das Lesen der Schriften. Schnell bemerkte sie, daß sie die junge Frau für das Lesen begeistern konnte. Wann immer sie es schaffte ihr zu entwischen – was zugegeben oft der Fall gewesen war – fand sie diese in der Bibliothek wieder. Sie war dann in mehreren Büchern zur gleichen Zeit vertieft. Auf Eridian wirkte es, als würde sie etwas suchen. Was passen würde, denn sie wirkte auf die Priesterin ruhelos, irgendwie getrieben, aber auch sehr nachdenklich.
Junge Frau war eigentlich nicht richtig. Sie war genau genommen älter als sie alle zusammen und doch sah sie jung aus. Sie war hochgewachsen, überragte sie alle in ihrer Größe. Ihre Haut war hell, irgendwie blass. Ihre hellen Haare waren lang und glatt. Eine solche Farbe hatte Eridian noch nie zuvor gesehen. Irgendwie war sie von dieser Kriegerin, trotz ihrer Kühle, fasziniert und ein wenig verzaubert worden.
Wie damals, als sie verschwunden war, war auch dieses Mal ihre Rüstung abgelegt. Ihre Hände lagen auf der Brüstung des Balkons. Ihr Gesicht dem Himmel voll Sternen zu gewandt. So verharrte sie schon seit Stunden. Die Priesterin blickte in ihren Geist zurück.

Damals hatte sie nur für zwei Herzschläge weggesehen, was der Kriegerin ausreichte, um zu verschwinden. Wie auch immer sie das in so kurzer Zeit geschafft hatte, blieb ihr ein Rätsel. Eridian, gerade eine Priesterin im Dienst der Göttin geworden, hatte die Aufsicht über diese fremde Kriegerin erhalten, die auf sie wirkte wie von einer anderen Welt. Es hätte sie nicht gewundert, wenn dem so wäre. In dieser Zeit gab es Viele, die nicht von hier kamen. Viele fanden hier Zuflucht, waren auf der Durchreise oder in einem Exil. Gaia war ein Zufluchtsort geworden und Avalon bot für einigen von ihnen sicheren Schutz oder eine neue Heimat. Was Avalon für diese Kriegerin war, wußte sie nicht, auch nicht, was mit dieser Kriegerin war.
Seit sie bei ihr an ihrer Seite war, hatte sie nicht ein Wort gesprochen. Sie aß nicht und trank nur sehr wenig. Die Hohepriesterin machte sich Sorgen um den Zustand dieser Fremden, von der man nur sehr wenig wußte und wurde immer wieder bei der großen Mutter vorstellig. Die große Mutter beschwichtigte sie. Ging die Hohepriesterin zu weit und wurde anmaßend, beendete die Göttin das Gespräch. Nur, weil sie ihre Hohepriesterin war, hatte sie nicht das Recht alles zu wissen. Was die Kriegerin anging, wurde eisern geschwiegen. Wer auch immer diese fremde Kriegerin war, es blieb ihr Geheimnis. Die wenigen Eingeweihten schwiegen ebenso, auch kannten sie untereinander noch nicht einmal, noch erfüllten sie im gleichen Bereich ihre Pflichten.
Die große Mutter hatte sie nach Avalon geholt. Mehr wußte keiner. Mehr sollte niemand wissen. Einzig der Name war allen bekannt: Soei Arman Deran. In ihrer eigenen Sprache hieß das „Herrin des Lichts“. Eigentlich war man auf Avalon die seltsamsten Wesen gewohnt und auch, daß man nur selten eine Antwort auf Fragen erhielt, aber sie hob sich von allen ab. Sie machte alle – egal ob Novizen oder Hohepriesterinnen – gleichermaßen neugierig. Egal wer mit ihr sprach, sie gab keine Antwort. Oft legte sie nur den Kopf leicht schief, als würde sie versuchen den Sinn der Worte zu verstehen.
Auf Grund ihrer kühlen, abweisenden Art wirkte die Kriegerin auf andere arrogant und herablassend. Eridian wußte, daß es nicht so war. Sie war nur – anders. Es wurde viel über sie geredet. In der Messe, wenn sie beisammen saßen und zusammen speisten, war diese Kriegerin oft im Gespräch. Wenn sie davon wußte, schien es sie nicht weiter zu stören.

Die legere Kleidung, die sie trug, eine helle Stoffhose und ein helles Hemd, schimmerten leicht im schwächer werdenden Licht. Ob das Material aus dem Hose und Hemd waren, wirklich Stoff war, darüber war sich die Priesterin nicht sicher. Hinten hatte das Hemd zwei lange schmale Löcher die bis zu ihrer Hüfte gingen und einen Blick auf die blasse Haut ihres Rückens darunter frei gaben. Der Sinn dieser Löcher erschloß sich Eridian zu jener Zeit noch nicht. Das sollte sich erst sehr viel später in einem der tragischsten Momente dieser stillen Kriegerin klären.
Die junge Kriegerin selber, die schon damals sehr viel Leid in sich trug, schien zu leuchten. Man hatte ihnen ihren Namen gesagt, doch angesprochen hatte sie noch keiner. Es war eher so, daß Viele respektvoll vor ihr zurück wichen. Nicht, weil sie ihnen unheimlich war, oder ihrer Größe wegen, sondern ihre Ausstrahlung war es, die dies bewirkte. Eine Ausstrahlung, die sogar die große Mutter in den Schatten stellte und so manch Einen in Ehrfurcht vor ihr erstarren ließ. Da sie nichts über diese Fremde wußte, hielt sie, wie auch viele Andere, diese für eine Göttin. Doch die Kriegerin, die sich ihrer Ausstrahlung voll bewußt war, schien sehr unglücklich damit zu sein, wie sie auf andere Wesen wirkte.
Herrin des Lichts. Eridian dachte, daß dies wohl ein treffender Name für eine Frau sei, die aus sich heraus, zu leuchten schien. Sie tat ihr leid, wußte aber nicht was sie hätte tun können um ihr zu helfen oder wonach sie überhaupt suchte. Was auch immer es war, das sie suchte, es schien für sie von größter Bedeutung und Wichtigkeit zu sein. Manchmal saß sie viele Tage und Nächte in der Bibliothek. Bücher über Bücher, Schriftrollen über Schriftrollen, Karten verschiedener Gebiete türmten sich wie Berge vor ihr auf. Was sie genau suchte, wußte keiner. Helfen, ließ sie sich auch nicht. Sie duldete einfach niemanden in ihrer Nähe. Sie fühlte sich sogar regelrecht von der bloßen Anwesenheit eines anderen Wesens gestört. Die Kriegerin war oft alleine im Garten oder eben in der Bibliothek zu finden. Manchmal war die große Mutter im Garten bei ihr und schien mit ihr zu reden. Ob und was sie antwortete, konnte Eridian nicht hören. Sie sah nie, das sie den Mund bewegte und sprach. Ob sie stumm war? Oder sprach sie auf eine Weise, die Eridian nicht verstand?
Was es Eridian erschwerte, auf diese Kriegerin zu achten oder sich ihr überhaupt zu näheren, war der Umstand, das diese Frau niemanden in ihrer Nähe duldete, nur auf Bitten der großen Mutter hin, ihre Anwesenheit tolerierte. Jedesmal wurde sie mit der abweisenden Haltung Soei Arman Derans konfrontiert, daß es ihr zunehmend schwerer fiel sich in ihrer Nähe aufzuhalten. Sie seufzte. Die große Mutter hatte ihr keine leichte Aufgabe übertragen.

Damals, hatte sie auch auf dem Balkon gestanden und zu dem Himmel gesehen. Eridian hatte nur für zwei Herzschläge weggesehen, als sie wieder zu dem Balkon sah, war die Kriegerin verschwunden. So, als hätte sie sich einfach in Luft aufgelöst. Eridian bekam einen Schreck und eilte auf den Balkon. Sie sah runter. Unten ging eine Gruppe Novizen sich rege unterhaltend vorbei, die auf dem Weg zu ihren Unterkünften waren. „He da.“ Sie hielten an und sahen zu Eridian hoch. „Was gibt es hohe Frau?“ Eridian lächelte verkniffen. „Habt ihr eine hochgewachsene hellhaarige junge Frau gesehen?“ Die jungen Wesen sahen einander an. Einige zuckten mit Schultern und hoben Kopf schüttelnd ihre Hände. „Bedaure hohe Frau, aber die Hünin ist uns nicht begegnet.“ Sie atmete schwer aus. „Danke. Ich wünsche euch einen ruhigen Abend.“ Die Novizen verneigten sich förmlich und gingen leise diskutierend weiter. Eridian nahm den Umhang der Frau von dem Boden auf und zog sich in die Räumlichkeit zurück, wo sie sich auf einen weichen Stuhl fallen ließ. Den Umhang hielt sie in beiden Händen und starrte auf das seltsame silberne Emblem. Sollte sie nach ihr suchen? Sie erhob sich und machte sich auf den Weg in den Garten und in die Bibliothek. An beiden Orten war sie nicht gesehen worden. Wo sollte sie sonst nach ihr suchen? Avalon war groß. Es gab hier viele Möglichkeiten wo sie hätte sein können. Sie zu finden, wenn sie gar nicht gefunden werden wollte, eine Unmöglichkeit. Innerlich sackte die Priesterin zusammen. Sie hatte keine andere Wahl. Sie mußte es der großen Mutter mitteilen. (Wie soll ich das nur der großen Mutter erklären?) Ihr war sehr unwohl bei dem Gedanken.

Soei Arman Deran stand auf einer weiten Ebene und sah sich flüchtig um. Sie war von einer Gebirgskette umgeben in dessen Tal Mitte sie sich befand. Weit und breit schien kein Lebewesen zu sein, bis auf ein paar vereinzelten Bäumen in ihrer näheren Umgebung.
Von einer kleinen Felsgruppe konnte sie die Talebene gut überblicken, die sehr weitläufig war. Vereinzelt waren Sträucher und Bäume zu sehen. Weit entfernt ein See, an dem sie sich bei Bedarf waschen konnte.
Sollte man sie suchen, würde man sie hier kaum finden. Um jeden Preis wollte sie unentdeckt bleiben. Also kam nur ein geschütztes Terrain für ihr Vorhaben in Frage.
Langsam ließ sie sich auf ein Knie nieder, dann legte sie eine Hand auf den Boden und richtete ihren Blick nach innen. Sie spürte die Energie des Planeten mit der sie sich verband und ließ ihren so erweiterten Blick schweifen. Es dauerte eine ganze Weile bis sie sich zufrieden erhob. Diese Gegend war für ihr Vorhaben gut geeignet. Er lag abseits von Allem und bot sehr viel Platz, der bei einer Landung dieser mächtigen Wesen benötigt wird. Auch würden sie hier weniger Aufmerksamkeit auf sich ziehen, als in einer großen Stadt. Sie konnten hier landen, ohne großen Schaden anzurichten oder selber welchen zu erleiden. Sie sah zu einer Seite. Wenn man von dem Jungtier absah, korrigierte sie sich.
Ihr Gesicht war ausdruckslos als sie mit nach innen gerichteten Blick zu dem dunkel gewordenen Himmel sah, an dem vereinzelt Sterne zu sehen waren. Sie wartete, daß er auf ihren Ruf reagierte.
Es dauerte nicht lange, bis sie das Rauschen mächtiger Schwingen vernahm und die vertraute Silhouette eines Freundes über ihren Kopf hinweg gleiten sah. Er flog einen Bogen, nach dem er sie gesehen hatte und setzte dann unweit von ihr zu einer Landung an. Staub wirbelte auf, der ihr die Sicht nahm. Schützend hob sie einen Arm vor ihr Gesicht. Mächtige Windböen umspielten sie, als er noch einige Male mit seinen Flügeln schlug, bis er einen festen und sicheren Stand hatte. Langsam legte er seine Schwingen eng an seinen Körper an. Nachdem der von ihm verursachte Wind, als auch der Staub sich wieder gelegt hatten, schritt sie auf das Wesen zu.
Der Drache senkte seinen großen Kopf und ließ sich ganz nieder, um mit ihr auf einer Höhe zu sein. Sie neigte kaum merklich den Kopf zu einem Gruß und berührte sanft die mächtige Stirn des Wesens. „Du hast mich gerufen?“, erklang es in ihrem Kopf. Sie sah ihn ruhig an. „Ich brauche deine Hilfe.“ Er senkte den Kopf noch ein wenig tiefer. „Was bedrückt dich, meine Freundin, daß du mich um Hilfe ersuchst?“ „Ich brauche nicht nur deine Hilfe, mein Freund, ich brauche die von euch allen.“ Der Drache zog überrascht seinen Kopf zurück, wobei er sich ein wenig erhob, dann senkte er ihn wieder behutsam. Ganz vorsichtig näherte er seinen Kopf den ihren an. Sie schloß die Augen und legte ihre Stirn an seine. Auf diese Weise übertrug sie ihre Gedanken sehr viel schneller. Sie übermittelte ihm alles, was er wissen mußte. Der Drache erhielt Einblicke in ihr Leben, das vielen, auf einer eindringlichen Bitte der Göttin hin, verborgen bleiben sollte.
Nach einer Weile zog er seinen Kopf wieder zurück. „Ich verstehe.“ Wäre er nicht so groß, hätte er seinen Kopf unter ihr Kinn gelegt und etwas angehoben. So aber, berührte er sie vorsichtig und sanft an der Seite ihres Gesichts mit seinem langen Maul um ihr Trost zu geben. „Wir werden sie finden, meine Freundin.“, versicherte er ihr. Sie legte eine Hand an ihn und ließ zu, daß er ihren Schmerz spürte. Langsam zog er seinen Kopf zurück und sah sie auf seine Art sanft an. „Fliegst du mit uns?“ Sie verneinte stumm. „Sagt mir, wenn ihr sie gefunden habt.“ Er richtete sich auf. „Wir tun, was wir können, um zu finden, was für dich wichtig ist.“ Der Drache signalisierte ihr, daß er abheben wollte. Soei Arman Deran trat zurück und ließ den Drachen sich wieder in die Lüfte erheben. Er flog noch einen Kreis um sie, bevor seine Silhouette in der Dunkelheit der Nacht verschwand. Sie sah ihm bedauernd nach. Gerne wäre sie mit ihm geflogen, doch im Moment war es ihr nicht möglich. Sie hatte noch etwas anderes zu erledigen.

Die Göttin wandte sich um. Sie war nicht im Mindesten überrascht, die Kriegerin vor sich stehen zu haben. Sie wartete, auf das, was ihre Kriegerin zu sagen hatte. „Verwahre bitte meine Rüstung.“ Abwartend sah sie ihre Kriegerin an. „Ich werde eine Weile nicht hier sein.“ „Du willst sie suchen.“ „Nein, ich werde sie finden.“ „Und wenn nicht? Wenn du nicht findest, was du dir erhoffst?“ Die Kriegerin richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und näherte sich ihr drohend. „Ich werde sie finden.“, entgegnete sie mit Nachdruck knurrend. „Es sei denn, du hast vor, mich daran zu hindern?“ Die Göttin schüttelte traurig den Kopf und wich ihrem bohrenden Blick aus. „Ich wünschte, ich könnte es, doch ich kann es nicht. Mir bleibt nichts anderes übrig, als dich ziehen zu lassen. – Auf deine Rüstung werde ich achten, bis du sie wieder benötigst.“ Die Kriegerin nickte kurz und löste sich dann in Luft auf. Die große Mutter atmete schwer aus. Betrübt schloß sie die Augen. „Ja, ich wünschte, ich könnte dich davon abhalten. Es betrübt mein Herz. Doch ich weiß, daß der Tag kommen mußte, an dem ich dich nicht mehr aufhalten kann. Ich habe dir deinen Willen gelassen, dir etwas versprochen. Dieses Versprechen halte ich. Selbst, wenn ich dir durch ein Wort von mir sehr viel Leid ersparen könnte. Doch würde ich das tun, würdest du es mir nie verzeihen.“, flüsterte sie. „Du wirst mir auch so nicht verzeihen, weil ich dir verschwiegen habe, was für dich wichtig war und mich für die Folgen verantwortlich machen.“ Sie seufzte. „Meine liebe Kriegerin, irgendwann wirst auch du verstehen, daß es Dinge gibt, die man nicht ändern kann, denen man ihren Lauf lassen muß.“

Die große Mutter ließ sich den Umhang und die Rüstung der Kriegerin bringen. Sie sagte kein Wort zu Eridian, als diese ihr die Rüstung übergab. Auch, wenn es nur ein flüchtiger Moment war, glaubte Eridian Trauer in den dunklen Augen der Göttin gesehen zu haben.
Sie hatte schon viele Rüstungen getragen, die aussahen, als wären sie leicht, es aber doch nicht waren. Doch diese Rüstung überraschte sie. Als sie die Rüstung der Kriegerin anhob, stellte sie fest, wie leicht sie war. Sie kannte kein Metall auf Gaia, das eine solche Eigenschaft besaß. War das der Grund, weswegen die Mutter die Rüstung der Kriegerin haben wollte? Um das Geheimnis dieser Rüstung zu wahren?
„Das Schwert?“ „Ich habe es überall gesucht. Es ist nicht zu finden. Nur die Rüstung war da, große Mutter.“ Die große Mutter, wie die Göttin von allen genannt wurde, lächelte traurig. Dabei sah sie in eine unbestimmte Richtung. Ihr Blick war seltsam. „Du würdest vergebens nach dem Schwert suchen. Es ist das einzige, was sie niemals zurücklassen würde. Nur wird es ihr dieses Mal keinen guten Dienst erweisen können. Gegen das was sie erwartet, wird ihr kein Schwert hilfreich sein.“ Die Göttin schloß langsam ihre Augen. Was auch immer sie sah und zu wissen schien, es lastete auf ihr. Schließlich öffnete sie ihre Augen wieder. „Ich werde ihre Rüstung verwahren, bis der Tag kommt, an dem sie diese wieder brauchen wird. – Du hast deine Aufgabe gut gemacht.“ „Aber, ich habe nicht aufgepaßt, Mutter.“, gab sie vorwurfsvoll zurück. Die große Mutter lächelte milde und geheimnisvoll. „Sie ist jemand, auf den weder du noch ich wirklich aufpassen können, egal wie wachsam wir auch sind. Sie hat ihren eigenen Willen.“ „Wieso habt Ihr mich dann auf sie aufpassen lassen?“ Die große Mutter, eine dunkelhäutige, schlanke Frau mit schwarzen Haaren und gütigem Gesicht sah sie wieder geheimnisvoll lächelnd an. „Sie wird ihren Weg in unserer Welt gehen. Egal, ob du oder ich nun auf sie aufpasst oder nicht. – Ich wollte lediglich, daß sie weiß, daß sie nicht alleine ist. Daß sie das, was sie …“ Die Mutter schwieg. „Sie wird ihren Weg gehen. Nur, wenn sie gefunden hat, wonach ihr Herz und sie sich sehnt, wird sie unsere Hilfe brauchen. Ich wollte, daß sie sich an dich gewöhnt. Mehr nicht.“ Trotz der Härte in der dunklen Stimme der Göttin, konnte Eridian Sorge heraus hören. Das Gesicht der Göttin zeigte ebenfalls Spuren von Sorge. Die Göttin drehte sich mit dem Rücken zu ihr um während sie weiter sprach: „Ich werde dich und zwei Begleiter an den Ort senden wo ihr sie findet, wenn es so weit ist. Halte dich also bereit. – Für den Moment hast du deine Pflicht erfüllt und bist frei gestellt. Du kannst jetzt gehen.“ Eridian zögerte. „Hast du noch eine Frage?“ „Ja – wieso ich? Sie war mit meiner Gegenwart nicht einverstanden.“ „Weil du eine Empathin bist. – War es das?“ Sie nickte. „Dann geh jetzt.“ Eridian verneigte sich kurz und verließ nachdenklich den Tempel. Sie hatte nie damit gerechnet, daß sie wegen ihrer Empathie mal eine wichtige Aufgabe übertragen bekam. Täuschte sie sich, oder war diese fremde Kriegerin für die große Mutter von größerer Bedeutung, als …? Eridian schüttelte den Kopf. Das war etwas, daß sie nichts anging.

Soei Arman Deran hatte ihr Schwert geschultert und wartete. Ihre Rüstung hatte sie in die Obhut dieser Göttin gegeben, weil sie diese als störend empfand. Doch ihr Schwert, würde sie niemals zurück lassen. Selbst, wenn sie es getan hätte, niemand außer ihr konnte es aufheben oder führen, es sei denn, sie erlaubte es. Sie wußte nicht, wo der Weg ihrer Suche sie hinführte. Es war ratsamer nicht noch weiter unnötig aufzufallen, als sie es auf Grund ihrer Erscheinung ohnehin schon tat und sich möglichst verdeckt zu halten und ihr Schwert bei sich zu haben. Sie wußte auch nicht wieso sie nicht in der Lage war, sie zu finden. Daß sie zu ihren Ahnen gegangen war, daran glaubte sie nicht. Sie hätte es gespürt. Ihr Instinkt sagte ihr, daß sie noch lebte. Doch nicht, wie es ihr ging, noch, wo sie sich befand.
Viele Tage lang saß sie regungslos auf einem der Felsen und wartete. Wartete darauf, die vertraute Silhouette eines Freundes zu sehen. Sie hatte Zeit – und Geduld.

Tage vergingen, Wochen. Bis: „Arman Deran.“, hörte sie schließlich leise in ihrem Kopf. „Arman Deran. Soei Arman Deran.“ Die leise Stimme kam schnell näher. Sie erhob sich und sah abwartend in die Richtung aus der aufgeregt ihr Name gerufen wurde. So wie er rief, würde er die ganze Gegend aufschrecken. Sie kannte nur einen Drachen, der so impulsiv und alles andere als zurückhaltend war. Die schwache Silhouette des Drachens wurde deutlicher, kam immer näher und schien es eilig zu haben. Es war jedoch nicht die imposante Erscheinung eines erwachsenen Drachen, sondern die etwas magere Erscheinung eines Jungtieres.
Sie verzog leicht den Mund, daß es wirkte als würde sie lächeln. (Navos. Würdest du bitte weniger schreien?), sandte sie in seine Richtung. Gleichzeitig dachte sie, daß es ernst sein mußte, wenn sie Navos schicken würden und keiner der Älteren kam.
Der Jungdrache, war zu dicht über ihr, sodaß ihr böses schwante. (Nicht schon wieder.) Sie glitt schnell von dem Felsen und warf sich zu Boden, dabei schloß sie die Augen. Das wollte sie sich nicht mit ansehen.
Bei jedem dumpfen Aufschlag zuckte sie mit dem Kopf, wie unter einem Schlag.
Nach einigen Herzschlägen und einem zu Boden krachenden Baum, protestierenden Wildtieren kehrte langsam wieder Ruhe ein. Sie atmete einmal schwer aus, öffnete die Augen und erhob sich in einer schnellen, geschmeidigen Bewegung. Kurz klopfte sie den Staub von ihrer Kleidung, dann stand sie mit in den Hüften gestemmt Händen da und besah sich das von Navos angerichtete Malheur. Mit einem leichten Kopfschütteln betrachtete sie den braunen Jungdrachen, der etwas unglücklich auf dem Rücken lag. „Navos.“, gab sie leicht resigniert von sich. Er sollte wirklich mal lernen, wie man richtig landet, dachte sie ein wenig lakonisch.
„Kannst du mir bitte helfen?“ Sie seufzte, zuckte mit erhobenen Händen die Schultern und ging zu dem Jungdrachen, der von alleine nicht mehr hochkam. „Lernst du jemals, wie man richtig landet?“ „Ich bin doch richtig gelandet.“, gab er leicht gekränkt von sich. Sie bedachte ihn mit einem entsprechenden Blick und machte sich daran, einige schwere Äste von seinen Schwingen zu heben. „Ich meine, ohne dabei die halbe Umgebung zu zerstören?“ Navos brummelte etwas Unverständliches. Sie sah ihn nur kurz ausdruckslos an und befreite ihn Kopf schüttelnd weiter von den Ästen, die ihn auf dem Boden hielten. Als sie fertig war, half sie ihm noch auf den Bauch. Navos schüttelte sich, streckte seine Flügel aus, unter die er abwechselnd seinen Kopf schob. Er betrachtete sie genau, dann hob und senkte er sie, zog sie an und streckte sie wieder. Auch Arman Deran überprüfte seine ledernen Schwingen auf Risse oder Verletzungen die auf den ersten Blick nicht auffielen. Nach ihrer Überprüfung trat sie vor ihn. „Tut mir leid.“ Er wirkte beschämt. „Du solltest dich nicht bei mir entschuldigen, sondern bei den Bewohnern des Baumes, um deren Heim du sie gebracht hast. So viel Platz und du fällst den einzigen Baum in dieser Gegend.“, sie klang ein wenig amüsiert. Nur ihr Blick verriet, daß sie es nicht war. Könnten Drachen verlegen werden, Navos wäre es wohl geworden. „Astarias schickt mich dich zu holen. Er läßt dir ausrichten, er habe gefunden, was du nicht finden kannst. – Sie ist in der Stadt.“ Soei Arman Deran sah Navos ruhig an. „In welcher?“ „Der goldenen Stadt. Sie wird dort gefangen gehalten.“ Da sie wußte, daß Navos nur ein Bote war, ausgestattet mit den notwendigen Informationen, befaßte sie sich nicht weiter mit Fragen, die er ihr nicht beantworten konnten. Sie ging gleich zu der Frage über, die sie gerade beschäftigte: „Wie war es möglich, das ihr sie aufspüren konntet und ich nicht?“ „Wir sind magische Wesen. – Es eilt. Sie ist in großer Gefahr.“ Soei Arman Deran nickte ernst. Ihre Augen hatten sich ein wenig verengt. „Wo sind die anderen?“ „Auf einem Erkundungsflug. Sobald sie können, stoßen sie zu uns.“ Sie wandte sich in die Richtung, aus der Navos gekommen war. In Gedanken versunken, ihren Geist ausgreifen lassend, legte sie eine Hand an den Hals des jungen Drachen. „Flieg vor. Ich komme gleich nach.“, sagte sie abwesend. Vor ihrem geistigen Auge überflog sie die Landschaft bereits. Er wandte seinen Kopf und sah sie an. Ihr Gesicht war wie versteinert. Da war etwas in ihren Augen, daß ihm Furcht machte. Langsam richtete Navos sich auf, schüttelte sich kurz, dann entfernte er sich ein wenig. Schließlich schlug er ein paar Mal mit seinen Flügeln, die er doch lieber noch einmal überprüfte, bevor er abhob und sich wieder in die Lüfte begab. Er kreiste einmal, dann flog er in die Richtung aus der er gekommen war. Zurück sah er nicht, denn er wußte, daß sie ihm folgen würde.
Soei Arman Deran schloß die Augen und konzentrierte sich. Langsam wuchsen weiße Schwingen auf ihrem Rücken, die so groß waren, wie sie selbst. Es dauerte viele Herzschläge bis sie fest und stabil genug waren, um sie tragen zu können. Einige Male bewegte sie die Schwingen vor und zurück, bevor sie sich sicher war.
Ihr Hemd schmiegte sich sanft an die Verwurzelungen der Schwingen, es war dafür gemacht worden. Noch einige Male bewegte sie die Schwingen, bevor sie diese kräftiger schlagen ließ. Langsam öffnete sie die Augen, in denen eine unerschütterliche Entschlossenheit stand. Was auch immer geschehen und kommen mag, sie würde sich nicht aufhalten lassen – von nichts und niemandem!
Schließlich hob sie ab um den Jungdrachen zu folgen. Ihr Schwert lag sicher zwischen ihren Schwingen auf dem Rücken und summte leise. Sie spürte den Wind auf ihrer Haut, in ihrem Gesicht und hörte seine Stimme, die sie freudig grüßte. Kurz schloß sie die Augen, drehte sich in der Luft einmal um sich selbst um den Gruß zu entgegen, dann öffnete sie diese wieder und schloß langsam zu dem Jungdrachen auf. Schweigend flogen sie durch die Abenddämmerung. Navos wollte mit ihr reden, ein wenig plaudern, aber ihr Gesicht ließ ihn schweigen. Navos hatte sie noch nie so gesehen. Unsicher sah er zu ihr rüber. War es wirklich noch dieselbe Frau, mit der er oft um die Wette geflogen war? Sie war so ganz anders. Ernst, entschlossen und gefährlich. Er sah wieder nach vorne und schwenkte ein wenig nach rechts, um seinen Kurs zu korrigieren. Die Kriegerin folgte ihm.

Je näher sie der goldenen Stadt kamen, desto mehr Drachen schlossen sich ihnen an. Navos macht zu Gunsten des älteren Drachen seinen Platz frei und ließ sich dankbar ein wenig zurück fallen, bevor er nach rechts scherte und sich neben dem großen Drachen setzte. Astarias, der goldgrüne Drache flog rechts von ihr. Links von ihr setzte sich ein weiterer Humanoid, der bis auf die Taille unbekleidet war und ihr nur kurz zu nickte und dann mit der gleichen Ernsthaftigkeit wieder nach vorne sah, die sie alle hatten. Neben ihm setzte sich Arkonas, der Schattendrache. Ihm folgte Tovalas, der Drache des Windes, und Hakon, der weiße Drache. Neben Astarias setzte sich Navos, der Jungdrache, gefolgt von Tormos, dem Drachen des Feuers. Harunakan, der Drache der Erde, stieß zum Schluß dazu. Keiner sagte ein Wort. Eine stille Entschlossenheit umgab die Gruppe aus Drachen und Humanoiden. Sie waren zu allem bereit, egal was es auch kosten sollte.

Wer in jener Nacht zu dem Himmel sah, der sah ein Bild, das er so schnell nicht wieder vergessen würde. Selten sah man zu jener Zeit eine solche Eintracht. Manch einer hob seinen Kopf, um herauszufinden, woher das Rauschen kam und ob ein Sturm aufkam. Sie blieben wie angewurzelt stehen und verfolgten mit ihrem Blick die zwei fliegenden Humanoiden, die von den Drachen flankiert wurden, als wollten sie diese schützen. Die Drachen und die beiden Humanoiden sah man oft mit einem oder mehreren von ihnen fliegen, aber nie hatte man sie alle zusammen gesehen. Es war ein seltsames Bild und manch einen fröstelte es bei diesem Anblick.
Es waren nicht die Drachen und auch nicht die beiden Humanoiden, die mit ihnen flogen, die Aufmerksamkeit auf sich zogen, sondern das was sie ausstrahlten. Es war so stark, daß viele Wesen stehen blieben und nach oben sahen. Sie waren von dem Anblick wie gefangen. Andere hingegen, die wußten, sahen kurz hoch und machten sich auf den Weg, sich für das zu wappnen, was geschehen sollte. Es waren die ersten Anzeichen für einen lange anhaltenden Krieg, den lange Zeit keine Seite für sich entscheiden sollte und sehr viele Opfer forderte.

Argon stand am Hang, der Grenze des Waldes, den er nie mehr betreten wollte. Er hob den Kopf und legte seine Hand auf den Kopf seines Wolfsbegleiters, der sich neben ihm gesetzt hatte. Schweigend folgte er dem Flug. „Tja, mein Freund, das riecht nach Ärger.“ Der Wolf gab einen Laut von sich, der eine Mischung aus Winseln und Knurren war. „Ich kann es nicht ändern. – Wenn die Große ruft, müssen wir bereit sein. – Du hast die richtige Zeit gewählt, meine Freundin. Es ist die richtige Zeit um Heim zu kehren und die wenigen ruhigen Tage die uns verbleiben, mit denen zu verbringen, die uns wichtig sind.“ Er klopfte beruhigend den Hals seines Wolfes, sah noch ein letztes Mal auf die Reihe aus Drachen und Humanoiden, die langsam zu kleinen Punkten am Horizont wurden, dann zog er sich leise in den Schatten des Waldes zurück.

Zwischen Drachen und Humanoiden herrschte Einigkeit und Harmonie. Es brauchte keine Worte zwischen ihnen, sie verstanden sich auch so. Auch, wenn sie Drachen und mächtige magische Wesen waren, so waren sie doch ihre Freunde. Freunde, die einander halfen. Soei Arman Deran hatte ihnen geholfen, nun wollten sie ihr helfen. Sie alle hatten die gleiche Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit, die Soei Arman Deran in sich und ihrem Herzen trug. Sie wußten alle, was das bedeutete. Die goldene Stadt hatte den Krieg mit dem Rest aller Bewohner dieses Planeten begonnen. Sie würden zu ihr stehen und an ihrer Seite kämpfen, wenn sie rufen würde. Astarias wußte, daß sie genau das tun würde. Er kannte sie, er kannte ihr Herz. Er wußte, sie würde sie rufen, wenn es keinen anderen Weg, keine andere Möglichkeit mehr geben würde. Und sie würden ihrem Ruf folgen – sie alle deren Herz sie je berührt hatte.
Mit seinen ihr zugewandten Augen betrachtete er die verschlossene, eiserne, wie abweisend wirkende Miene seiner Freundin. Er erinnerte sich, wie sie das erste Mal einander begegnet waren. Sie war ohne Furcht auf ihn zugegangen. Sie hatte ihn so gesehen, wie er war. Ihn als einen der ihren akzeptiert, obwohl sie unterschiedlicher Natur waren. Die junge Kriegerin hatte eine besondere Gabe, das erkannten er und die seinen sehr schnell. Sie gewann sehr schnell ihr Vertrauen und ihre Freundschaft. Sie hatte sie aus ihren Verstecken geholt, ihrer selbst gewählten Isolation um die anderen nicht zu erschrecken. Sie lehrte die anderen Wesen die Akzeptanz der Drachen. Verbrachte oft Tage mit ihnen, manchmal nur, weil sie ihre Gesellschaft suchte, manchmal, um mit ihnen zu fliegen oder tiefgründige, philosophische Gespräche mit ihnen zu führen. Sie war so neugierig gewesen und wissensdurstig. Seit damals hatte sich viel verändert. Sie waren keine Wesen mehr, die sich versteckten. Sie waren anerkannt und akzeptiert worden. Arman Deran hatte nur den Anfang der Veränderung gemacht.
Damals, gab es nur einen unter ihnen, der damit nicht einverstanden war, die Veränderung die vor sich ging nicht akzeptieren konnte, diese Welt mit den Humanoiden und anderen Wesen zu teilen. Arakos, der Ältere und Vater von Arkonas. Er war voller Argwohn und Wut, weil er die Drachen gefährdet sah, durch die Humanoiden. Er sah sie als Gefahr für sich und seine Sippe. Glaubte, daß sie nur benutzt würden.
Irgendwann mußte es zwischen den Drachen, die sich den anderen Wesen zeigten, ihnen halfen und zur Seite standen und Arakos zu einer Auseinandersetzung kommen. Es war unvermeidlich. Arakos Herz war blind vor Wut und vergiftet von seinem Haß auf die Veränderung. Ihn hatte sie nicht erreichen können. Daß die jüngeren Drachen es wagten mit Humanoiden zu fliegen und, daß es fliegende Humanoiden gab, gefiel ihm überhaupt nicht. Humanoiden gehörten auf den Boden, der Himmel gehörte alleine den Drachen.
Sie hatte sich einen anderen, einen friedlicheren Weg gewünscht. Sich gewünscht, auch er möge offen und ein Freund sein. Sie hatte nichts unversucht gelassen, um auch ihn zu erreichen. Schließlich griff er Soei Arman Deran an, als sie mit Arkonas geflogen war. Sie hatte ihn nicht getötet. Das entsprach nicht ihrem Wesen. Sie achtete das Leben. Sie konnte ihn nicht töten. Wohin sie ihn gebracht hatte, wußte nur Astarias und auch, daß sie darunter litt. Nach diesem Zwischenfall waren sie alle das erste Mal in stiller Eintracht gemeinsam geflogen, doch heute war es anders.
„Was beschäftigt dich?“, fragte er schließlich. „Daß sie getötet wird.“, kam prompt eine Antwort zurück, etwas später: „Ich weiß nicht viel über diese Stadt, nur, daß sie von vielen gemieden wird.“ „Zu Recht.“, sagte Arkonas. „In dieser Stadt wird mit verbotenen Dingen gespielt. Erinnerst du dich daran, daß die anderen verschwanden?“ Soei Arman Deran senkte den Blick, der an die Erinnerung düster wurde. Die Landschaft unter ihr sah sie nicht. Ja, sie erinnerte sich. Sie erinnerte sich sehr gut. „Ja.“, antwortete sie kurz und verengte die Augen. Arkonas sagte nichts mehr weiter. Das brauchte er auch nicht. Sie hatte verstanden. Arkonas, der sonst keine Gelegenheit ausließ, sie herauszufordern, wußte um die Ernsthaftigkeit und auch um der Bedeutung des Wesens, das sie suchte. Er hatte auch eine andere Seite, die Soei Arman Deran sehr zu schätzen wußte. Es gab eine Zeit zu Spielen und es gab eine Zeit, um Ernst zu sein. Jetzt war nicht die Zeit, um zu spielen.
Bis sie die Grenze erreichen würden, wo die Eiswüste begann, hinter der die goldene Stadt zu finden war, würde es Morgen werden. Sie würden die ganze Nacht hindurch fliegen. Soei Arman Deran spürte etwas in ihrem Herzen. Etwas, daß sie mit allen Wesen verband. Sie spürte ihre Liebe, ihren Glauben an sie, ihre Stärke, ihre Verbundenheit. Für einen Moment schloß sie Augen und nahm es in sich auf. Spürte es tief in sich. Sie wußte, daß sie sich immer auf sie verlassen konnte.

Als der Morgen graute, landeten sie auf einem Plateau. Das Klima war spürbar kälter. Sie behagte den Drachen sichtlich nicht. Immer wieder schüttelten sie sich leicht. „Ab hier mußt du alleine weiter. In das Land des Eises können wir dir nicht folgen.“ Sie legte eine Hand an den Hals des älteren Drachens. „Schon gut mein Freund. Du mußt dich nicht entschuldigen. Ich weiß, das euch die Kälte nicht gut tut.“ Sie lächelte kurz wissend und sah den Mann mit den schwarzen kurz geschnittenen Haaren an. „Du mußt den Weg alleine gehen, auch ich kann dich nicht begleiten. Mein Körper verträgt keine Kälte. Kälte schon, doch nicht wie sie in der Eiswüste ist. Ich wäre dir dort kaum von Nutzen.“ „Wir werden hier auf dich warten, so lange wir können.“, sagte Arkonas. „Kehre zurück, mit dem was dir wichtig ist.“ „Du wirst noch einige Tage fliegen müssen, bis du die Grenze erreichst. Behalte so gut es geht immer die Richtung der aufgehenden Sonne bei, dann wirst du zu der goldenen Stadt gelangen.“ Der spärlich bekleidete Mann zögerte. „Noch etwas: Bevor du dich der Stadt näherst, verberge deine Schwingen. Sie begehren alles was magischer Herkunft ist, wollen es besitzen und erforschen. So nennen sie es. Doch das, was sie tun, ist kein erforschen. Es ist die Lust an der Grausamkeit, die sie anderen Lebewesen zufügen.“ Er sah kurz zu den Drachen. „Sei wachsam, wenn du dich der Stadt näherst. Egal was passiert, halte deine Schwingen verborgen und das, zu dem du wirklich fähig bist. Sehen sie, was du kannst und hast, wollen sie dich um jeden Preis dieser Welt besitzen. Jedes Mittel ist ihnen Recht. Auch vor Mord schrecken sie nicht zurück, wenn sie so erhalten, was sie begehren.“ Soei Arman Deran nickte kurz, nahm Anlauf und stürzte mit ausgebreiteten Armen die Klippe hinunter. Kurz vor dem Boden ließ sie ihre Schwingen ausbreiten. Einige Meter schwebte sie darüber, dann richtete sie ihren Oberkörper auf und schraubte sich in den Himmel. Als sie hoch genug war, flog sie in Richtung der goldenen Stadt.
Die Drachen legten sich ein wenig hin, um sich von den ungewöhnlich langen Flug zu erholen. Abwechselnd behielten sie die Umgebung im Auge. Nur der Humanoid sah ihr wissend hinterher. „Viel Erfolg, meine Freundin. Ich hoffe, du kommst nicht zu spät. – Eile, Soei Arman Deran, eile. Flieg und laufe so schnell, wie du kannst. Rette was deinem Herzen wichtig ist.“, seine Stimme klang schwer. Astarias sah ihn an. „Was meinst du damit?“ „Es wird das Ende sein, das kommen wird. Der Beginn einer neuen Zeit, in der wir vergessen oder nichts weiter als Mythen und Legenden sind.“ „Was meinst du damit Gilgamesh?“ Navos hob seinen Kopf und sah den Humanoid neugierig an. Der Mann wandte sich zu ihm um. „Veränderung. Eine große Veränderung, die auf uns alle zukommt, weil sie erneut die Gesetze brechen, die nicht gebrochen werden dürfen, weil sie es nicht ertragen zu verlieren. Sie wollen die alleinige Herrschaft und bringen durch ihre Vermessenheit nicht nur Unglück über uns, sondern auch über sich selbst.“ Navos als auch Arkonas erhoben sich. „Wir müssen ihr helfen!“, erklang es wie aus einem Mund. „Das ist nicht möglich. Ihr würdet keine zehn Herzschläge in der Eiswüste überleben! Die Eiswüste ist der schnellste Weg, um die verfluchte Stadt zu erreichen. Eure Schwingen und eure Körper sind ebenso wenig wie ich für Kälte gemacht. Sie muß es alleine durchstehen. Ihr könnt nichts anderes tun, als auf ihre Rückkehr warten.“ „Er hat Recht.“, pflichtete der goldgrüne Drachen schweren Herzens Gilgamesh bei. „Wir warten. – Wir sind schon zu wenige Arkonas. Wir dürfen nicht noch mehr von uns verlieren. Wenn sie uns braucht, werden wir es wissen. Vertraue darauf.“, sagte Astarias schließlich ruhig. Arkonas schien hin und her gerissen zu sein. Dann senkte er seinen Kopf. „Aber sie ist alleine.“, warf Navos entrüstet ein. „Nein, sie ist nicht alleine. Auch, wenn es so scheint. Sie hat Freunde, Freunde, die an sie glauben. Dieser Glaube macht sie stark, macht sie unerschütterlich, unbeugsam. – Glaubt an sie und sie wird … straucheln, doch niemals fallen.“ Gilgamesh schwieg. Er wandte sich wieder um und sah in die Richtung, in die Soei Arman Deran geflogen war. Auch die Drachen folgten seinem Blick. Sie konnten nichts weiter tun als warten und ihrer Freundin Erfolg wünschen.

Tage waren vergangen, seit dem Soei Arman Deran sich auf den Weg durch die Eiswüste gemacht hatte. Astarias hob seinen mächtigen Kopf. „Vater?“ „Reiter.“ Navos folgte seinem Blick. Drei Reiter waren in der Ferne zusehen, die sich schnell näherten. So, wie sie ritten, mußten sie es eilig haben, sehr eilig. „Navos, du bleibst bei mir. Ihr anderen verteilt euch an den Passagen der Grenze. Wenn irgendetwas die Grenze passiert, will ich es wissen. Auch ob es Freund oder … kein Freund ist. Lavios, du beobachtest die Wassergrenzen.“, erklang Astarias tiefe und ruhige Stimme. Die Drachen erhoben sich in die Lüfte und verteilten sich entlang der Grenzen an den wenigen Passagen, die in die Eiswüste führten.
Lavios, der Wasserdrache, zog einen Kreis, schnappte noch nach ein paar Fischen und tauchte dann gesättigt ab. Er war der einzige Drache, der nicht fliegen konnte. Sein Reich, war alleine das Wasser. Es war einsam ohne die anderen. Er kannte die Kriegerin, er mochte sie und deswegen freute er sich, mal nützlich sein zu können. Sie teilten ein ähnliches Schicksal: Sie waren beide einsam und getrennt von ihrem eigenen Volk.
„Weißt du wer diese Reiter sind?“ Astarias wandte sich Gilgamesh zu. „Freunde. Sie eilen um ihr zu helfen, doch sie werden sie zu spät erreichen. – Sie sind zu weit gegangen und das werden auch sie irgendwann begreifen, aber ob sie aus ihren Taten lernen werden, ist offen.“ „Was wird mit ihr?“ „Sie wird vergessen, wie viele von uns auch. Unser Kampf um den Frieden und die Freiheit wird vergessen, doch viele Male weiter geführt. Aber anstatt zu begreifen, daß es nur einen Gegner gibt, gegen den sie sich verteidigen müssen, bekämpfen sie sich gegenseitig. – Die goldene Stadt, Atlantis, wird sie alle blenden und sich als etwas hinstellen, was sie nie war und auch nie sein wird. Ihre Bewohner … eine Abartigkeit, eine Monstrosität. – Eine Perversion des Lebens.“ Gilgamesh spie die Worte aus. Seine Abscheu gegenüber den Atlantern spiegelte die Abscheu vieler wieder. Man verkehrte mit Atlantis nur, wenn man keine andere Wahl hatte. Ansonsten mied man es, denn Atlantis neigte dazu, Lebende zu verschlucken und nicht wieder heraus zu geben.
„Nur sehr wenige sind eine Ausnahme, die meisten jedoch sind verblendet von ihrer Gier nach Macht und noch mehr Macht. In ihrer unstillbaren Gier werden sie diesen Planeten wahrscheinlich noch zerstören. Doch irgendwann werden auch sie auf jemanden treffen, der weitaus mächtiger ist als sie es sind und sie in ihre Schranken weist.“ „Wir werden es nur nicht mehr miterleben, richtig?“ Gilgamesh nickte leicht. „Ja, wir werden es nicht mehr miterleben. Wir werden Staub und ausgelöscht aus der Geschichte Gaias sein.“ Der muskulöse braungebrannte Körper des Kriegers wandte sich wieder dem Land zu, das sie alle Eiswüste nannten. Seine grauen Augen folgten den Reitern. Die Eiswüste war das einzige Hindernis, das zwischen ihnen und dem verfluchten Atlantis stand. „Sie werden einen anderen Weg finden müssen, wenn sie ihre Pferde nicht aufgeben wollen.“, sagte Gilgamesh ruhig. „Ja, das werden sie wohl.“, entgegnete Astarias ebenso ruhig.

Viele Tage waren vergangen, seit sie begonnen hatte, die Eiswüste zu durchqueren. Sie kam nicht so schnell voran, wie sie es sich erhofft hatte. Der eisige Wind schnitt auf ihrer Haut. Ihr machte das nicht viel aus, jedoch ihren Schwingen. Immer wieder mußte sie landen um Pausen einzulegen und zu Fuß weiter gehen. Ihre Schwingen zog sie dabei jedes Mal ein. Die Kälte tat ihnen nicht gut. Sie sah nur in eine Richtung. Die Richtung, in der ihr Ziel lag – die goldene Stadt. Wenn sie schon Schwierigkeiten mit dem eisigen Wind in ihren Schwingen hatte, wie mochte es wohl … Sie hob langsam begreifend den Kopf. Als sie ihn vor langer Zeit in die Eiswüste gebracht hatte, wußte sie nichts von der Stadt. Das Wissen über die fünf großen Städte erhielt sie erst später und auch, wieso viele die goldene Stadt mieden und nur wenige sie wirklich aufsuchten. Sie war zwar eine der fortschrittlichsten Städte, aber ihr Fortschritt hatte einen Preis, einen fürchterlichen Preis, den die Zwillingsstadt mit ihrem Verschwinden bezahlt hatte. Und nicht nur die Zwillingsstadt, dachte sie düster.
Sie hob ihre Arme vor ihr Gesicht und stemmte sich gegen den eisigen Wind, der an ihrer Kleidung und ihren Schwingen zerrte. Es war, als wollte der Wind sie aufhalten. Sie davon abhalten, die goldene Stadt zu erreichen. Sie biß die Zähne aufeinander und ging weiter, immer weiter. Bis sie wieder eine Möglichkeit fand, ihre Schwingen auszubreiten, um sich in die Lüfte zu erheben. Unermüdlich schritt sie voran. Schlafen, wie die anderen, tat sie nicht. Sie brauchte ihn nicht.
In ihren seltsamen blauen Augen stand eiserne Entschlossenheit. Sie würde diese Stadt erreichen und zurück fordern, was zu ihr gehörte. Sie würde nicht aufgeben, egal was auch kommen würde – oder wer. Wenn es sein mußte, würde sie alleine die Stadt stürmen und sie da herausholen. Sie hoffte jedoch inständig, daß dies nicht notwendig sein würde.

Endlich ließ der eisige Wind nach. Soei Arman Deran ließ ihre Schwingen wieder aus ihrem Körper wachsen und stieß sich von dem nachgebenden Grund unter ihr ab. Sie erhob sich hoch in die Lüfte und flog weiter, bis sie die Eiswüste weit hinter sich gelassen hatte und die Silhouette der goldenen Stadt vor sich sah. Sie spürte, daß die Zeit drängte. Das Land unter ihr war karg und wirkte verdorrt. Als habe etwas alles Leben aus ihm gezogen. Gilgameshs warnende Worte nicht vergessend, setzte sie hinter einem kargen Felsen zu einer Landung an, nachdem sie sich überzeugt hatte, daß niemand sie gesehen oder bemerkt hatte. Er würde ihr die Deckung bieten, die sie brauchte, während sie ihre Schwingen zurück in den Körper zog.
Als sie auf dem Boden mit einem Fuß aufsetzte, mußte sie sich zwingen, auch den anderen aufzusetzen und nicht ihrem Instinkt zu folgen, der ihr davon abriet hier zu landen. In ihrem Fuß, durch ihre Stiefel spürte sie ein unangenehmes Kribbeln. Sie konzentrierte sich und zog ihre Energie wie eine zweite Haut eng an sich. Ihr Blick ging langsam zu der Stadt mit ihren Mauern, die unüberwindbar schienen. Kurz schloß sie die Augen und versuchte das Land zu spüren. Sobald ihre Schwingen wieder in ihrem Körper waren, begab sie sich auf ein Knie und legte ihre Hand auf den ausgetrockneten Boden. Die Energie, die sie spürte, stach so stark in ihrer Hand, daß sie den Kanal verletzte. Es war giftige Energie. Langsam sich nachdenklich die Hand reibend erhob sie sich wieder. Sie sah sich um. Außer dem Felsen gab es kaum irgendwas, das auf irgendeine Form von Leben hindeutete. Vor den Mauern der Stadt war vielleicht doch noch etwas. Sie meinte dort einen Wald zu erkennen.
Das ganze Land litt unter der Herrschaft der goldenen Stadt, ihrem Mißbrauch der Macht und der pervertierten Form des Einsatzes von Magie. Sie legte eine Hand an den Felsen und fuhr überrascht zurück, als der Fels in sich zusammenfiel. Was sie dazu denken sollte, wußte sie nicht. Ihr fiel nichts ein, was sie hätte denken können. Sie war nur dankbar, daß sie diesen Felsen nicht vorher schon berührt hatte, als ihre Schwingen noch zu sehen waren, und er ihr ausreichend Schutz geboten hatte.

Langsam setzte sie sich in Bewegung Richtung goldener Stadt. Immer wieder ließ sie ihren Blick schweifen, auf der Suche nach Leben oder etwas, das auf Leben hindeutete. Dieses Land so zu sehen, schmerzte sie. Würde es, außer ihr, noch welche ihres Volkes geben, hätten sie aus diesem kargen, toten Land wieder ein lebendes gemacht. Ihr Volk waren gute Terraformer gewesen, die selbst einem toten Planeten wieder Leben einhauchen konnten. Sie schloß kurz die Augen, doch ihr Volk gab es nicht mehr. Langsam ging sie weiter. Mit jedem Schritt, den sie tat, spürte sie durch die Sohlen ihrer Stiefel wie Etwas die Energie aus ihr heraus ziehen wollte. Der Sog führte sie direkt zu den Mauern der Stadt und Etwas, daß hinter diesen Mauern lag.
Am späten Nachmittag stand sie endlich vor einer gewaltigen goldenen Mauer, die diese Stadt umgab. Sie sah an ihr hoch und entlang. Weit und breit war kein Eingang oder ein Tor zu sehen. Die Mauer war glatt und bot keinen Halt. (Klettern fällt also schon mal raus), dachte sie kühl. Sie fragte nach dem Sinn der Mauer und, ob man mit ihr jemanden draußen oder drinnen behalten wollte. (Da ich so wenig auffallen soll wie möglich, kommt fliegen nicht in Frage. Vor allem, wenn ich an Gilgameshs Warnung denke und das mit einbeziehe, was ich gehört habe, tue ich gut daran, nicht aufzufallen.) Sie fing an, die Mauer entlangzugehen. Ihr Blick war unentwegt auf die Mauer gerichtet, auf der Suche nach einer Möglichkeit in die Stadt zu gelangen. Hin und wieder strich sie mit einer Hand über die Mauer und schickte einen kaum wahrnehmbaren Impuls nach einer Öffnung aus.
Der tote Wald zu ihrer rechten Seite bot ihr zwar geringen, doch für sie einen ausreichenden Schutz. Er war dicht genug, daß er ihr Deckung bot. Hier lebte nichts mehr. Kein Vogel der flog, kein Rascheln der Blätter, sogar der Wind schien hier nicht zu leben. Kein Lufthauch berührte ihre Haut. Es herrschte eine unnatürliche Stille, die nur von dem Summen ihres Schwertes unterbrochen wurde.
Sie bedauerte den Wald und stellte ihn sich vor, wie er einmal voller Leben gewesen sein muß. Mit einer Hand berührte sie den Stamm eines Baumes um seine Erinnerungen zu sehen. Traurig schloß sie die Augen und senkte leicht den Kopf. Dieser Baum war in seinem Inneren zu Stein geworden und bot keine Erinnerungen mehr an das Leben, das er einst hatte. Der ganze Wald war nur noch nach außen hin ein Wald. Sie senkte den Kopf. So viel Leben versteinert. Was hatte eine solche Kraft, daß es das Leben aus allem sog, zu Stein und Stein porös werden ließ, das eine leichte Berührung ausreichte um einen Felsen zu Staub zerfallen zu lassen? Eine Antwort auf ihre Frage fand sie nicht.
Sie sah die riesige Mauer hoch hinter der eine Stadt verborgen lag, deren Bewohner mit Kräften experimentierten, die sie vermutlich noch nicht einmal selber beherrschen oder gar verstehen konnten. Das konnte nicht nur zu einer Gefahr für sie selber werden, sondern auch für alle anderen. Wissenschaft, die sich der Magie bediente. Bei dem Gedanken, was sie damit alles verursachen konnten, lief es ihr eiskalt den Rücken herunter. Langsam und wachsam geworden ging sie weiter. Sie konnte nicht unbemerkt geblieben sein, oder es störte die innerhalb der Mauer nicht, weil sie sich sicher und von ihrer Mauer gut geschützt fühlten.

Plötzlich blieb sie stehen und hob abrupt den Kopf. Ein Stich durchfuhr sie wie ein Blitzschlag. Sie wußte genau was das bedeutete. Auch, wenn sie die Verbindung vor vielen Umdrehungen dieses Planeten zu ihr gelöst hatte, bestand nach wie vor eine, wenn auch eine Schwache. Die Kriegerin mahnte sich zur Besonnenheit und Ruhe, wie es sie gelehrt worden war. Kopfloses vorwärts stürmen würde ihr nicht helfen.
Es hat lange gedauert, bis sie verstanden hat, wieso sie das getan hatte. In all der Zeit, die sie an Soei Arman Derans Seite gewesen war, hatte sie diese nie im Stich gelassen. Soei Arman Deran mußte lernen, ohne sie zurechtzukommen, sich zu orientieren und Entscheidungen ohne Rücksprache zu treffen. Zum ersten Mal, seit sie geboren war, vor sehr langer Zeit, war sie alleine.
Sie schloß langsam die Augen. Sie erinnerte sich an dem Morgen, an dem sie genauso verschwunden war, wie die anderen. Wie sie verwirrt und auf der Suche nach ihr sich schließlich auf den Weg machte, sie zu finden. Soei Arman Deran spürte, daß sie noch leben mußte, denn das, was sie beide verband, war stärker als alles andere. Tage danach spürte sie, wie das was sie verbunden hatte, gelöst wurde. Die Kriegerin war verwirrt. Diesen Verlust ertrug sie nicht. So lange waren sie miteinander verbunden gewesen. Doch die Leere die hinterlassen wurde, war für diese Kriegerin zu viel. Sie war immer da. Egal wo sie selbst war, sie war immer da. Doch auf einmal war sie weg. Soei Arman Deran wußte nicht, wie sie das verstehen sollte. Sie fühlte sich alleine und im Stich gelassen. Der Schmerz war stark, viel zu stark.
Irgendwann auf ihrem Weg, in einem Zustand der Apathie und Verwirrung, traf sie eine Frau, die nach vielen Umdrehungen dieses Planeten ihren Platz einnahm, aber anders, als sie es gewohnt war. Es war nur ein Ersatz. Aber diese Göttin konnte sie einfach nicht ersetzen. Das würde sie niemals. Sie hatte nie aufgehört, sie zu finden zu versuchen.
Erst durch Arkonas hatte sie erfahren, was der wahre Grund für ihrer aller Verschwinden war. Sie schwor sich und ihren verschwundenen Freunden, einen Weg zu finden, um sie alle zurückzuholen, egal wie lange es dauern würde.
Sie ließ sich auf ein Knie nieder und legte ihre rechte Hand auf die Erde, die voll von giftiger Energie war. – Heute verstand sie, wieso sie die Verbindung gelöst hatte.
Schon immer, hatte sie Soei Arman Deran beschützt. Aus einem anderen Grund würde sie niemals diese Verbindung zu ihr lösen, nur wenn Soei Arman Deran dadurch schützen konnte. Sie hob den Kopf, mit nach innen gerichteten Augen. Sie zwang ihre Energie in den Boden und ließ sie ihren Weg finden.
Damals, als sie hier gestrandet waren, kannten sie diese Welt, als auch ihre Bewohner nicht. Sie wußten nicht zu was sie fähig waren oder gar welcher Gesinnung. Sie wußten nichts von den Gefahren, die sie hier erwarten würden. Wußten nicht, ob man sie wie die anderen willkommen hieß oder … Es war eine neue, eine andere Welt. Anders, als all die anderen die sie bis dahin gesehen hatten. Eine Welt, auf der sie gefangen waren, auf der sie von nun an leben mußten. Es wäre klug mehr über die Wesen hier herauszufinden, darüber war sich Soei Arman Deran im Klaren. Vermutlich war das der Grund, weswegen sie Soei Arman Deran in die Obhut der anderen gelassen hatte, um erst einmal mehr über diesen Planeten und seine Bewohner herauszufinden, aber sicher war sie sich da nicht.
Damals waren noch die anderen hier. Sie hatte für sie mit ihnen Seite an Seite gekämpft und das größte Opfer gebracht, das sie bringen konnte, um sie und diesen Planeten zu beschützen – ihr eigenes Volk. Sie war es, die ihr schließlich riet diesen Planeten zu retten, während sie selber noch zögerte. Wie konnte sie ihr Volk einfach für ein fremdes Volk, einen fremden Planeten opfern? Sie war für ihr Volk verantwortlich. Was sie ihr gesagt hatte, womit sie sie schließlich überzeugt hatte, daran konnte sich Arman Deran nicht mehr erinnern. Nur daran, daß sie es schließlich schweren Herzens getan hatte und die Zerstörung aller Raumer befahl. Ihre Schiffe waren mächtig genug, um die Flotte der feindlichen Invasoren, die Gaia ausbeuten und zerstören wollten, zu vernichten. Nach der Zerstörung ihrer Raumer und der feindlichen Flotte, war der Sieg schnell errungen. Doch der Preis, den sie dafür gezahlt hatten, war ein hoher. Sie hatten sie beide als eine der ihren aufgenommen. Sie hatten nie vergessen, was sie getan hatte. Welches Opfer sie gebracht hatten.
Sie sendete einen Impuls aus mit der Frage „Wo bist du?“ wieder und wieder. Durch die Mauern drang sie nicht mit ihrer Energie. Es schien ihr ratsam zu sein es auch nicht zu versuchen, wenn es stimmte, was sie gehört hatte. Sie wollte nicht unnötig die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Im Hintergrund fragte sie sich, wie sie es geschafft hatten, sie zu fangen und ob ihre Gefangenschaft der Grund für die Lösung der Verbindung war.
Endlich reagierte ihr Herz auf eine schwache Resonanz. Sie hatte sie gefunden. Die Energie, die sie empfing, war schwach, aber noch da. Langsam erhob sie sich und sah sich um. Wenn sie es rechtzeitig schaffte, konnte sie noch ihr Leben retten. Sie mußte sich beeilen. Aber erst, mußte sie ein paar Vorsichtsmaßnahmen treffen. Sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sie beobachtet wurde. Für den Moment ließ sie das außer Acht. Viel wichtiger war sie. Die Kriegerin streckte ihre linke Hand in die entgegengesetzte Richtung, in die sie gehen wollte und erzeugte eine schwache Energiebarriere. Würde ihr jemand folgen, würde sie dadurch gewarnt sein. Denn, wer auch immer ihr folgte, mußte durch die von ihr geschaffene Barriere durch. Sie zu umgehen oder aufzulösen war unmöglich. Selbst, wenn es hier jemanden gab, der ihre Barriere auflösen könnte, würde sie es wissen.
Soei Arman Deran machte sich auf den Weg. Eine ungute Ahnung trieb sie zur Eile an. (Halte durch. Ich werde dich finden. Halte durch.)
Ihr Blick irrte unentwegt über den kahlen Boden. Sie wollte nichts übersehen. Nicht der kleinste Hinweis sollte ihr entgehen. Würde sie fliegen, ginge es schneller, aber sie wagte es nicht. Ihr war von ihr beigebracht worden, daß ihre Sicherheit an erster Stelle stand, alles andere kam danach. Auch wagte sie es nicht in Gegenwart dieser Stadt mehr von sich preis zu geben, als sie es schon getan hatte. Immer wieder kniete sie sich hin, immer wieder sendete sie einen Impuls und wartete auf Antwort.
Das ausdruckslose, beherrschte Gesicht veränderte sich mit jedem Mal. Sie fürchtete, sie zu spät zu erreichen und nicht mehr helfen zu können. Zum ersten Mal in ihrem langen Leben verspürte sie Furcht. Wie groß war diese Stadt? Wie lang und breit die Mauer, die sie schützte? Sie befürchtete, daß sie Tage brauchen würde, bis sie die Mauer dieser Stadt einmal umrundet hatte. So viel Zeit hatte sie jedoch nicht. Verzweifelt suchte sie einen Weg, der schneller war. Schneller um zu ihr zu gelangen, deren Antwort immer schwächer wurde. Gerade als sie der Schmerz zu übermannen suchte, sah sie etwas entfernt vor sich auf dem Boden liegen, das nicht in die tote Landschaft paßte. „Ameran! Schwester!“ Sie lief zu der Gestalt, die zwischen toten Sträuchern auf dem Boden lag, als hätte man sie wie Abfall entsorgt. Sie stürzte auf ein Knie neben die auf der Seite liegenden Gestalt, deren Extremitäten eine unnatürliche Haltung hatten, die einmal ihre Schwester war. Vorsichtig drehte sie den Körper um. Ein Stich durchfuhr sie in dem Moment, als sie den Körper berührt hatte. Verzweiflung und Schmerz standen im Gesicht der sonst so beherrschten Kriegerin. Sie sah die Mauern entlang bis nach oben. Sie hatten sie von dort hinunter geworfen.
„Schwester. – Ich helfe dir.“ Soei Arman Deran nestelte unbeholfen an dem Hemd der Frau und legte ihr eine Hand auf die Brust, an die Stelle wo ihr Herz war und ließ ihre Energie in den Körper fließen. Ameran, die ihrer jüngeren Schwester fast bis auf das Haar glich, öffnete langsam ihre Augen. (Nein, kleine Schwester. Es ist zu spät. Auch du kannst mir nicht mehr helfen.) Tränen traten in die Augen der großen Kriegerin, die es bereits wußte, aber nicht wahrhaben wollte. Das einzige was sie noch tun konnte war, den Schmerz ihrer Schwester zu lindern oder … Arman Deran schloß kurz die Augen und senkte leicht den Kopf. (Auch deiner Macht sind Grenzen gesetzt. Du kannst Tote mit deiner Liebe und Güte zurückholen, doch nur, wenn ihre Körper unversehrt sind, doch meine Verletzungen … sind zu schwer, als daß du sie heilen könntest.) Die Kehle der jungen Frau arbeitete und sie rang mit den Tränen, die stumm über ihre Wangen liefen. Tränen die sie bis zu dem Zeitpunkt nicht kannte. Tränen, die sie noch nie geweint hatte. Auch nicht, als sie ihr Volk opfern mußte, um diese seltsame, fremde Welt zu retten.
Sanft ruhte der Blick auf Ameran. „Schwester …“ Ameran legte ihre zerschmetterte blutige Hand schwach an das Gesicht ihrer jüngeren Schwester, die von ihr behutsam festgehalten wurde. (Ich wollte dich noch einmal sehen. Nur noch einmal. – Ich habe dich… dich nicht … verraten, kleine Schwester. – Sie haben … nichts erfahren.) Sie schloß kurz die Augen und deutete ein Kopfschütteln an. Soei Arman Deran legte eine Hand an das Gesicht Amerans und nahm sanft eine Hand von ihr in die ihre. Ihr Blick war gequält und doch voller Liebe und Güte. (Egal, was die anderen sagen, oder man dir zuträgt – ich habe und werde dich niemals verraten. Ich werde dich immer beschützen, denn du … du bist meine …) Soei Arman Deran beugte sich über den schlanken Körper Amerans und legte sanft ihre Stirn an die Stirn ihrer Schwester. (… kleine Schwester.) Sie schloß ihre Augen. Immer wieder arbeitete ihre Kehle. Tränen rannen aus ihren geschlossenen Lidern. Ameran öffnete ihren Geist und ließ ihre kleine Schwester sehen, was ihr widerfahren war. Ihr Herz schmerzte, wie noch nie zuvor in ihrem ganzen Leben, als sie sah, was man ihr angetan hatte. So sehr hatte es nicht geschmerzt, als sie die letzten ihres Volkes geworden waren.
Still hörte sie ihrer Schwester weiter zu. (Sie werden … versuchen … Glaube nicht was sie dir einzureden versuchen … Meide diese Stadt … sie ist für dich eine Gefahr … sie werden versuchen, deine Erinnerungen zu … manipulieren, dich etwas anders glauben machen … halte dich von dieser Stadt fern. Versprich es mir, kleine Schwester. – Versprich es mir Arman Deran.) (Ich verspreche dir, so lange wie es geht, werde ich mich von dieser Stadt fern halten.) (Nein, du mußt dich für immer von dieser Stadt fern halten. Sie dürfen dich nicht … sie sind grausam …) Ameran legte erneut ihre Hand an das Gesicht ihrer jüngeren Schwester, deren Herz sich immer mehr verkrampfte. (Ich kann dir nicht versprechen, mich für immer von dieser Stadt fern halten zu können, denn ich weiß nicht, was noch geschehen wird. Ich kann dir nur versprechen, so lange wie es geht, mich von dieser Stadt und ihren Bewohnern fernzuhalten.) (Sie weiß es. Sie wußte es von Anfang … Sie wollte wissen … Ich werde dich finden. Egal wo du bist, egal wer du bist. Egal wie lange es dauert, ich werde dich wieder finden, dich immer beschützen. – Warte … auf … mich … kleine Schwester.) Soei Arman Deran spürte einen Sog und wie gleichzeitig das Leben aus dem Körper ihrer Schwester wich. Sie schluckte hart und bewegte sich einige Herzschläge lang nicht, wagte es nicht sich zu bewegen. Die Worte ihrer Schwester ergaben für sie in dem ersten Augenblick keinen Sinn. Sie wußte nicht, daß man auch zurückkehren konnte. Und, wenn dem doch so war – wie war es möglich? (Ich werde auf dich warten. Egal wann, egal wo, egal wie. Ich werde dich finden. Und, wenn ich diesen ganzen Planeten Stück für Stück auseinander nehmen muß, um dich zu finden.) Langsam richtete sie ihren Kopf wieder auf. Ihre Augen noch immer geschlossen, ihr Gesicht vor Schmerz und Qual verzerrt.
Während sie den Worten ihrer Schwester zugehört hatte, waren drei Wesen durch ihre Barriere gegangen. Doch im Moment war ihr das egal. In ihrem Gesicht spiegelte sich der tiefe Schmerz wider, den sie bei dem Verlust ihrer Schwester empfand. Während sie langsam den Kopf senkte, öffnete sie ihre Augen. Qual, Schmerz, Trauer und Tränen, doch auch Sanftheit und tiefe Liebe zu ihrer Schwester stand in ihnen. Eine Liebe, die tiefer ging, als sie verstanden worden war. (Schwester …) Tränen tropften auf das leblose, von dem Sturz verschonte, Gesicht. Hilflos strich sie ihr die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Nie wieder, würde sie ihre Nähe, ihre Berührungen spüren. Nie wieder würde sie ihre Stimme hören. Nie wieder könnte sie ihren Rat erfragen. Nie wieder … Sie schloß die Augen und senkte den Kopf.
Sie war alleine. Es gab niemanden mehr aus ihrem Volk, nur noch sie.

Eridian streckte ihren Arm zu der Seite hin aus und schüttelte seicht den Kopf um anzudeuten, das sie nicht weiter gehen sollten. (Wir sind zu spät.), dachte sie betrübt. Zu ihrem Glück stellten sich die beiden Garden; ein Mann und eine Frau, die ihr von der großen Mutter zur Seite gestellt worden waren; als äußerst feinfühlig heraus. Sie wollte die Kriegerin in Ruhe lassen. Ihren Schmerz und ihre Trauer spürte sie, wie ihre eigene. In ihrem Schmerz und ihrer Trauer, war sie genauso offen, wie in ihrer Wut. Eridian traten die Tränen in die Augen, die ihr über die Wangen liefen. Auch die beiden Garden blieben von dem Anblick, der sich ihnen bot, nicht unberührt. Sie nahmen ihren Kopfschutz ab und senkten leicht die Köpfe. Sie bedeutete ihnen, daß sie sich entfernen sollten. Sie warf noch einen Blick auf die am Boden kniende Kriegerin, die über den scheinbar leblosen Körper gebeugt war. Wer diese Person war, wußte sie nicht. Es spielte auch keine Rolle, denn für diese Kriegerin war dieses Wesen wichtig gewesen. Und das war alles was zählte. Dann entfernte auch sie sich außer Sichtweite. Sie wollte, daß die beiden ungestört waren.
Sie sah auf den blauen Umhang der Kriegerin, den die große Mutter ihr mitgegeben hat. Die große Mutter hatte ihr gesagt, daß sie ihn brauchen würde. Jetzt verstand sie die Worte. Die Göttin war viel weitsichtiger, als sie auch nur erahnen konnte. Vieles, was sie tat, erschloß sich ihr nicht, auch nicht, was es mit der Kriegerin auf sich hatte. Aber, so dachte sie, vielleicht wußte sie schon vor langer Zeit um den Verlust, den die Kriegerin erleiden würde. Hatte sie deshalb ein so großes Interesse an ihr? Eridian wußte es nicht. Es spielte auch keine Rolle mehr.
Sie hatten sich ein gutes Stück von der Kriegerin entfernt und doch spürten sie ihren Schmerz, als würden sie direkt neben ihr stehen. Der Mann fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. Die Frau stand direkt neben ihm und strich ihm mit einer Hand mitfühlend über seine Schulter. Eridian sah leicht besorgt zu ihm. Ihn hatte das scheinbar schwer getroffen. Dieses Bild, wenn jemand starb den man liebte, würde man niemals vergessen.
Mehr Sorge bereiteten ihr die Bewohner von Atlantis. Was würden sie tun? Würden sie die Kriegerin ziehen lassen? Würden die Atlanter es wagen, sie anzugreifen, wenn sie unter dem Schutz der großen Mutter stand? Ihr Auftrag war eindeutig. Würde sie dieses Mal wieder scheitern, wußte sie nicht, ob sie noch einmal Gnade in den Augen der großen Mutter finden würde oder wie sich noch selber in die Augen sehen konnte. Sie würden sie sicher zurück nach Avalon geleiten, koste es was wolle!

Soei Arman Deran riß ihren Kopf hoch zu dem bewölkten Himmel und schrie ihren Schmerz heraus. Der Schmerz, so erschien es ihr, schien sie innerlich zu zerreißen. Wieder und wieder schrie sie ihren mit Wut vermischten Schmerz hinaus, bis sie innerlich wie äußerlich neben dem leblosen Körper Amerans zusammen sackte und weinte. Sie hatte ihr Gesicht auf den Oberkörper Amerans gelegt. Ihre Hände lagen auf den Schultern und hielten den Stoff ihrer Kleidung fest. Sie fühlte sich so unendlich hilflos, machtlos.
Für einen Moment vergaß sie alles, was man sie gelehrt hatte. Für einen Moment wollte sie nicht die Kriegerin, die Beschützerin sein, zu der man sie gemacht hatte, sie war nur noch die kleine Schwester ihrer Schwester. Die kleine Schwester, die sich von ihrer großen Schwester alleine und im Stich gelassen und betrogen fühlte. Schluchzend ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Ein Teil von ihr hoffte auf die Hand, die sich auf ihren Kopf legte und ihr sagen würde, das alles gut werden würde, doch das tat sie nicht. Diese Hand würde es nie wieder geben.
Nach einer ganzen Weile richtete sie sich langsam wieder auf.
„Ameran. – Wer paßt denn jetzt auf mich auf? Wer beschützt mich jetzt, wenn nicht du? Wer leitet mich und zeigt mir den Weg?“ Sie bewegte leicht den Kopf in die Richtung, aus der sie eine Bewegung wahrnahm. Eridian kniete sich neben sie. Voller Respekt vor dieser ihr unbekannten Frau, legte sie den Umhang der Kriegerin über den leblosen Körper Amerans, nach dem sie ihre offenen Augen geschlossen hatte. Was auch immer diese Frau durchlitten hatte, es mußte entsetzlich gewesen sein. Die Atlanter mußten grausamer sein, als ihnen ihr Ruf gerecht wurde. Schweigend erhob sie sich wieder und trat zurück. Was auch immer sie zu sagen hatte, es würde den Schmerz der Kriegerin nicht lindern, die sie voller Verzweiflung und einer stummen Frage ansah, auf die sie keine Antwort hatte. Sie kannte sie zu wenig, auch wußte sie nichts um der Bedeutung, die diese Frau für sie hatte. Sie spürte nur den Schmerz, der stärker war als alles, was sie je gespürt hatte und die tiefe Liebe zu ihr und, daß sie Hilfe brauchte. Doch waren es nicht Worte, die ihr helfen konnten. Kein Wort der Welt würde ihr helfen können. Eridian verstand nun, wieso die große Mutter sie gewählt hatte. Doch stand sie dieser Aufgabe hilflos gegenüber. So wie sie da kniete, wirkte sie auf die Priesterin verloren, wie ein verirrtes kleines Kind.

Astarias richtete sich abrupt auf. Sein Körper war angespannt. „Vater?“, Navos trat neben ihn und folgte fragend seinem Blick. Der mächtige Drache senkte seinen Kopf mit geschlossenen Augen. Seinem Beispiel folgten auch die anderen Drachen, die sich an den Passagen verteilt hatten und trotz der Kälte ausharrten. Sie bezeugten ihren Respekt, auch wenn sie diese Frau, die ihrer Freundin so wichtig gewesen war, nie begegnet waren. Gilgamesh legte seine Faust auf sein Herz und kniete sich mit gesenktem Kopf hin. Die Welle aus Schmerz, die sie erreicht hatte, war überwältigend. Niemand brauchte es ihnen zu sagen. Sie wußten es. Nur Navos mußte man es sagen, er war noch zu jung um es zu verstehen. Astarias wandte seinen Kopf und sah den Jungdrachen traurig an. „Sie hat es nicht geschafft. Sie konnte ihre Schwester nicht retten.“ Navos senkte betroffen den Kopf. Gilgamesh erhob sich. „Ich werde gehen und jene informieren, die ihre Freunde sind. Ich werde auch zu der großen Mutter gehen. Ihr solltet auf ihre Rückkehr warten.“ „Wir haben sie hier her geleitet und werden sie zurück geleiten.“ Gilgamesh sah den goldgrünen Drachen lange schweigend an. „Es wird ein Ehrengeleit.“ „Sie war ihre Schwester Gilgamesh. Arman Deran hat sie geliebt, auf eine Weise, wie wir alle es wohl nie verstehen werden. Sie hat den gleichen Respekt und die gleiche Achtung verdient wie ihre Schwester.“ Gilgamesh nickte. „Du hast Recht. Entschuldige.“ Er erhob sich in die Lüfte, grüßte Astarias und Navos noch einmal, dann flog er davon. Es war das letzte Mal, daß sie Gilgamesh gesehen hatten. „Vater?“ „Ja?“ „Heißt das, das sie jetzt alleine ist?“ Astarias sah wieder über die Weite der vor ihm liegenden Eiswüste. „Sie ist die Letzte ihrer Art, mein Sohn. Doch sie ist nicht alleine. Sie hat uns und all die anderen, die sie auf ihrem Weg begleiten werden. Doch auf eine gewisse Weise, wird sie alleine sein, ja – wir werden zu ihr stehen, Navos. Bis zu unserem letzten Atemzug.“ Astarias Stimme klang fest und bestimmt. Er wußte, er sprach für sie alle.

Als sich die Kriegerin erhob, war ihr Blick fest auf den Körper der Frau gerichtet, für die sie so viel Liebe empfunden hatte. Ihre Arme hingen an den Seiten ihres Körpers herunter. Ihre Hände zu Fäuste geballt. Sie hatte sie erst vollkommen gemacht. Ihr einen anderen Weg gezeigt, als den, der sie gelehrt worden war. Ihrer Geduld, ihre Liebe und Güte war es zu verdanken, daß sie zu einer edlen Kriegerin geworden war. Eine Friedensbringerin. Sie würde nie vergessen, daß Ameran mit ihr mehr geteilt hatte, als je ein Wesen in der Lage gewesen war. Ameran war ihr näher, als jeder andere.
Ihre Haltung als auch die Ausstrahlung veränderten sich unmerklich, das Eridian leicht den Kopf hob und sie vorsichtig ansah. Sie war kälter und entschlossen geworden. Langsam richtete sie den Kopf auf, bis sie hoch zu den weit entfernten Zinnen der Mauer sah, dabei schrie sie noch einmal all ihren Schmerz heraus.
Ihre Schwester kannte sie von zwei Seiten. Sie hatte beide gefördert, die Starke als auch die Schwache. Beide hatte sie stets in einem Einklang gehalten. Wobei die kleine Schwester es der großen nicht immer leicht machte. Doch Ameran wußte sie zu nehmen. Sie wußte, wie sie wirklich war. Sie sah als einzige ihre verletzliche, schwache Seite. Ihre Sanftheit, ihre Güte, ihre Wärme hatten sie stets erreicht, sie geleitet. Waren sie alleine, war die kleine Schwester einfach die kleine Schwester, nicht die Kriegerin oder Beschützerin. Sie ließ sie sein, wie sie war, wenn sie alleine waren. Egal ob fürchterlich kindisch und stur oder ernst und gesetzt. Ameran hatte lange gebraucht ihr das zurückzugeben, was sie durch ihre grausame Ausbildung verloren hatte.
Ameran hatte sie das gelehrt, was ihre Ausbilder und Mentoren sie nicht gelehrt hatten, als sie sich mit ihr verbunden hatte. Liebe, Güte, Mitgefühl und so vieles mehr. Ihre Ausbilder und Mentoren hatten sie gequält, gefoltert und den Kampf gelehrt. Sie hatten ihr suggeriert, daß sie jede Form des Schmerzes, jede Folter ertragen mußte, um ihr Volk zu beschützen. Sie lehrten sie nur Schmerz und Qual. Ihre wahre Bestimmung, hatten sie bewußt vor ihr verborgen, denn eine solche Beschützerin war nicht steuerbar, nicht kontrollierbar. Sie zu kontrollieren lag alleine in dem Recht ihrer Schwester. Sie dachten, sie könnten auch Ameran kontrollieren und dafür sorgen, daß sie nur eingriff, wenn es unbedingt notwendig war, aber da hatten sie sich getäuscht. Ameran bot ihnen die Stirn. Sie ließ sich nicht einschüchtern, weder von ihrer kleinen Schwester, noch von der Elite, die im Schatten verborgen ihr Volk seit undenkbar langer Zeit beherrschte. Die Güte und Liebe zu den Wesen, das Verständnis lehrte ihre Schwester sie.
Als Ameran ihre kleine Schwester zum ersten Mal nach der grausamen Ausbildung wieder gesehen hatte, hatte sie um sie geweint. Sie war über das, was man ihr angetan hatte, schockiert und zutiefst betroffen. Lange Nächte hatten sie einfach nur dagesessen und sich unterhalten. Sie hatten einander kennen gelernt, bis Ameran das Vertrauen ihrer kleinen Schwester wieder erlangt hatte und sich mit ihr auf eine Art vereinte, die es ihrer kleinen Schwester ermöglichte durch sie zu fühlen, denn anders war es ihr nicht mehr möglich. Für Arman Deran war es eine gewaltige Umstellung. Sie hatte sich anfangs dagegen gewehrt. Es war neu, es war fremd, es war – überwältigend diese Gefühle ihrer Schwester für sie zu spüren. Gefühle die sie nicht kannte, nicht verstand. Ihre Schwester verstand sie. Hielt sie fest in ihren Armen, ließ sie nicht los, lehrte sie damit umzugehen.
Sie war wie ihre Schwester, denn ihre Schwester hatte sie neu geformt. Sie hatte sie erst zu dem gemacht, was sie war.
Es hatte nie in der Absicht ihrer Ausbilder und Mentoren gelegen, das sie eine Beschützerin mit Gewissen, Herz und Verstand wird, sondern nur ihre Pflicht erfüllt bis es an der Zeit war einen Nachfolger zu bestimmen. Ihre Schwester jedoch hatte andere Pläne mit ihr. Sie ließ nicht zu, daß ihre kleine Schwester, die mit dem Fluch der Schwingen geboren worden war, mißbraucht und benutzt wurde. So lange sie an der Seite ihrer kleinen Schwester blieb, konnte sie diese vor denen schützen, die die eigentliche Macht über ihr Volk hatten und jene, die mit dem Fluch der Schwingen geboren waren, für ihre Zwecke benutzten.
Ihre Schwester wußte, ob des letzten Wunsches ihres Vorgängers, denn sie hatte es ihr erzählt. Ihr Vorgänger hatte sie bewußt ausgewählt, nach dem ihre Mutter die Wahrheit hinter der Fassade eines glücklichen Volkes erkannte und mit ihr darüber gesprochen hatte. Es hatte eine hitzige Diskussion gegeben. Doch bei genauer Betrachtung waren die Argumente ihrer Mutter nicht zu widerlegen und Beweise gab es auch genug, wenn sie nur genau hinsah. Schließlich mußte Ameran ihrer Mutter zustimmen und versprechen, sollte sie je eine kleine Schwester haben, die mit dem Fluch der Schwingen geboren wurde, stets auf sie zu achten und zu beschützen, denn ihre kleine Schwester würde sie und ihren Schutz dringend brauchen. Ameran vermutete, daß er darin eine Hoffnung für ihr Volk und seine Befreiung sah, als er ihre kleine noch ungeborene Schwester auswählte.
Ihre Mutter hatte sie nie kennen gelernt. Ameran hatte ihr erzählt, das sie geflohen war, bevor man sie zu den Ahnen bringen konnte. Ihr Vater war zu den Ahnen gegangen, noch bevor er erfahren hatte, daß er noch eine Tochter erhalten würde.
Ameran hatte ihr die dunkle Seite ihres Volkes, das der Elite, gezeigt, die sich die Beschützer in einer grausamen Ausbildung gefügig machten. Da nie Narben oder Verletzungen zurück blieben, auf Grund der starken Selbstheilungskräfte, konnten die Beschützer nie die Grausamkeit beweisen, der sie in ihrer Ausbildung ausgesetzt worden waren. Auch sie selbst hatte diese Ausbildung durchlebt. Man erwartete von ihr Stärke und, daß sie jeden Schmerz erträgt, ihr Volk bis zu ihrem letzten Tropfen Blut verteidigen und beschützen würde. Ihr war gesagt worden, daß das ihre einzige Aufgabe sei. Doch in Wahrheit, verhielt es sich anders. Sie hatten die Schwingengeborenen benutzt um das Volk zu kontrollieren. Ihre eigene Grausamkeit lebten sie an ihnen in ihrer Ausbildung aus, bis sie nicht mehr in der Lage dazu waren. War die Kraft der Schwingengeborenen erst einmal erwacht, würden sie all das Negative in sich aufnehmen.
Ihre Schwester hatte sie die wahre Bedeutung ihrer Natur, ihres Wesens, gelehrt. Sie hatte schließlich das Wissen zurück zu ihrem Volk gebracht und sie gelehrt, es einzusetzen. Sie war nicht mehr nur die Beschützerin, sondern auch eine Mentorin geworden.
Doch diese Frau, die sie erst dazu gemacht hatte, war nicht mehr da. In dem Moment, als ihr Körper starb, breitete sich Kälte in Soei Arman Derans Herz aus, die sich nun entscheiden mußte. Sie mußte sich entscheiden welchen Weg sie wählte. Sie schloß langsam ihre Augen. Um ihrer Schwester und ihrer Liebe gerecht zu werden, entschied sie sich, den Weg weiter zu gehen, den Ameran sie gelehrt hatte, auch, wenn die Kälte in ihrem Herzen nie wieder verschwinden und Wärme spüren würde. Aber, sie würde auch die Kriegerin sein, zu der man sie ausgebildet hatte, doch anders, als ihre Ausbilder und Mentoren es sich gedacht haben. Sie war bereit den Kampf aufzunehmen, den man ihr aufgezwungen hatte.
Langsam richtete sie sich zu ihrer vollen Größe auf und hob den Kopf zu den Zinnen der Mauer, die weit oben außerhalb ihrer Sicht lagen. Sie wußte, daß sie dort oben waren und sie beobachteten. Sie spürte ihre Blicke. Ihr Gesicht war verschlossen. Ihre Augen glühten weiß. Es war nicht mehr als eine stumme Geste, und doch, sagte sie sehr viel mehr als jedes Wort. Atlantis hatte sich mit dem Mord an ihrer Schwester einen neuen Feind geschaffen. Einen Feind, der sie bis zum bitteren Ende bekämpfen würde.
Sie ging langsam auf ein Knie neben die Hülle, die einst ihre Schwester gewesen war, zog ihren Umhang weg und sah sie lange an. Schließlich brachte sie behutsam jede Extremität wieder in die richtige Haltung. Dabei ging sie so vor, als würde der Körper ihrer Schwester noch leben. Vorsichtig schob sie ihre Hände und Arme unter den Kopf und die Knie und richtete sich mit ihr auf ihren Armen auf. Noch einmal sah sie die Mauer hoch, bevor sie sich abwandte und losging. Der letzte Blick die Mauer hoch, war eine Androhung. Sie würde zurückkehren und die Mörder ihrer Schwester zur Rechenschaft ziehen.

Eridian hielt die beiden Garden zurück, die der Kriegerin helfen wollten. „Nein.“ Ihre Stimme klang nicht so fest, wie sie es sich gewünscht hatte. Sie zitterte ein wenig. Die Gardistin wollte protestieren. „Wir wissen nichts über sie. Es könnte genauso gut ein Affront sein. Wenn sie unsere Hilfe will, wird sie es uns wissen lassen, bis dahin lassen wir sie in Ruhe. Wir sollen sie sicher zurück geleiten und vor den Atlantern schützen.“ Schweigend ging die Kriegerin an ihnen vorbei, den Blick voll Trauer, Schmerz und Qual auf einen Punkt in der Ferne gerichtet, den nur sie sah. Sie ging langsam und doch voller Stolz und Würde, sowie einer Erhabenheit, die so gar nicht zu der Situation passen wollte. Die beiden Garden schwangen sich auf ihre Pferde, die sie unweit angebunden hatten und flankierten sie unverzüglich, Eridian ging hinter ihr um ihr den Rücken zu decken.

Soei Arman Deran ließ ihre Schwingen wachsen, nachdem sie weit genug entfernt und außerhalb der Sichtweite der goldenen Stadt Atlantis waren. Eridian beobachtete verblüfft und mit einem ebenso offenem Mund wie die Garden, wie die Schwingen auf dem Rücken der Kriegerin wuchsen. Jetzt ergaben die Löcher in dem Hemd für sie einen Sinn. Diese Kriegerin war erstaunlich. Ihre Schwingen waren schneeweiß und ein wenig größer als sie selbst. Sie waren vielleicht einen Kopf größer, als sie selbst und gingen ihr bis zu den Fersen. Soei Arman Deran ließ sie ein paar Mal schlagen, bevor sie wieder auf dem Rücken wie die Flügel eines Schmetterlings zur Ruhe kamen.
Ihr Gesichtsausdruck war hart und abweisend, doch in ihren Augen spiegelte sich unendliche Traurigkeit, aber auch eine seltsame Entschlossenheit wider, die an Wut erinnerte. Auf ihre ungewollten Begleiter nahm sie keine Rücksicht. Entweder, die konnten mit ihr Schritt halten oder nicht. Mit ihrer Schwester auf den Armen ging sie weiter.
Dieses Mal mußte sie nicht gegen einen eisigen Wind kämpfen, der sie an dem vorwärts kommen hindern wollte. Es schien eher, als würde der Wind ihrer Schwester Respekt zollen und traute sich nicht seine volle Kraft zu zeigen, wie er es auf ihrer ersten Durchquerung getan hatte. Es wirkte eher, als würde der Wind vor ihr zurückweichen, sie nur sanft streicheln und zu trösten versuchen oder es war ihre eigene Energie die eine schützende Gasse schuf, um den Körper ihrer Schwester zu schützen. Was davon zutraf, interessierte sie nicht. Es war ihr egal. Wichtig war ihr nur, den Körper ihrer Schwester vor weiterem Schaden zu bewahren und zu schützen. Wenigstens jetzt wollte sie ihre Schwester beschützen, wenn sie es schon nicht konnte, als sie noch lebte.
Die Gardisten flankierten sie wachsam. Immer wieder sahen sie sich um, warfen einen Blick zurück. Eridian ging hinter ihr. Sie war beeindruckt von ihrer Stärke und Ausdauer, aber auch von ihrer wahren Größe – und ihren schneeweißen Schwingen. Sie selber waren hoch gewachsen, trotzdem überragte die Krieger sie noch um einige Köpfe. Aber es war nicht die Größe, die sie beeindruckte, sondern die Ausstrahlung. Sie war voller Würde und etwas, das sie schon einmal ganz woanders wahrgenommen hatte. Bei jemand anderem. Womöglich, war sie dieser ihr unbekannten Frau doch schon einmal begegnet, aber so genau wußte sie es nicht.
Der Rückweg dauerte länger, denn Arman Deran durchquerte mit ihrer Schwester auf den Armen die Eiswüste zu Fuß. Sie brauchten eine Woche, bis sie die ersten Gebirge jenseits der Eiswüste sahen.

Arkonas, der vor sich hin döste, wurde hellwach. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf. In weiter Ferne erkannte er Punkte die langsam näher kamen. (Sie kehrt zurück, doch sie ist nicht alleine. Sie ist vielleicht noch ein oder zwei Tagesmärsche entfernt.), gab er an die anderen weiter. (Sie wird von zwei Reitern flankiert.) (Hmm. Lecker Futter.) (Tovalas. Reiß dich zusammen.), kam es von Astarias in einem ruhigen, belehrendem Ton. Der Winddrache senkte in gespieltem Mißmut seinen Kopf. (Man wird doch noch mal einen Scherz machen dürfen.) (Du vergißt den Umstand.) Tovalas hob seinen blaßgrünen Kopf. (Ja. Das habe ich tatsächlich. Entschuldige Astarias.) Die Drachen richteten sich auf, breiteten ihre Flügel aus und verließen ihre Posten, die sie vor vielen Tagen bezogen hatten um die Passagen im Auge zu behalten. Sie kehrten nach und nach zu dem Plateau zurück, wo Astarias mit Navos auf ihre Ankunft wartete. Dort angelangt, begrüßten sie einander in dem sie kurz ihre Köpfe aneinander legten, dann nahmen sie alle eine wachsame Haltung ein. Sie wollten bereit sein.

Bevor ihre Freundin im Geleit der Garden der großen Mutter und eine ihrer Priesterinnen die Grenze überquert hatten, erhoben sie sich die Drachen und ließen sich nacheinander, ihres Alters gemäß unterhalb des Plateaus nieder. Dieses Mal schaffte auch Navos es sicher zu landen, wie die anderen auch. Er hatte sich dafür auch angestrengt. Sie richteten sich zu ihrer vollen Größe auf und senkten ihre Köpfe, als die Kriegerin mit ihrer Schwester auf ihren Armen an ihnen vorbei schritt. Sie erwiesen ihr Respekt und Ehre. Die Kriegerin nickte kurz stoisch, ging jedoch ohne ein Zögern weiter. Auch, wenn sie es nicht zeigte, war sie ihnen für diese Geste unendlich dankbar.
Nacheinander erhoben sich die Drachen in die Luft und stießen einen Laut aus, der noch in weiter Ferne zu hören war. Die Drachen kündigten sie an, bevor sie zu ihrem Geleit wurden. Die Pferde der Gardisten waren unruhig geworden und tänzelten nervös. Arman Deran merkte, daß die Gardistin ihr Pferd nicht mehr unter Kontrolle bekam. Sie blieb kurz stehen und sah das Tier ruhig an, schloß die Augen und sendete einen Impuls, der das Tier langsam beruhigte. Dann ging sie weiter, als wäre nichts geschehen. Die Gardistin starrte sie verblüfft an. Eridian nahm es ebenfalls zur Kenntnis und fragte sich, welche Kräfte und Geheimnisse diese Kriegerin mit den weißen Schwingen noch beherbergte. Sie ahnte, daß sie noch einige Überraschungen von ihr erwarten durften. Diese Frau war geheimnisvoller und tiefgründiger, als sie vermutet hatte.

Soei Arman Deran erhielt – je näher sie Avalon kam – weiteren Geleit für ihre Schwester. Die berittenen Garden aus Avalon hatten sie an dem Saum eines Waldes erwartet. Sie waren in ihrer Ehrenuniform gewandet. Mit ihnen war ein Wagen für den Körper ihrer Schwester gesendet worden, doch sie weigerte sich ihn loszulassen. Es war ihre Bürde, ihr Versagen. Ihre Schwester. Nur sie alleine hatte das Recht sie zu tragen. Nachdem der Kommandant, ein bulliger Mann mittleren Alters, sie mit einem respektvollen Nicken begrüßte, schlossen sie sich ihnen an. Nacheinander, nachdem Arman Deran an ihnen vorbeigeschritten war, setzten sie sich hinter die beiden schon anwesenden Garden. Bis sie Avalon erreichten, würde es noch wenige Tage dauern. In Avalons Toren stand die Göttin mit zwei Priesterinnen und erwartete sie bereits.
Diese zwölf berittenen Garden, einschließlich des Kommandanten Phobos, sollten später – auf Geheiß der Göttinmutter – Arman Derans persönliche Leibgarde werden. Sie sollten sie mit ihrem Leben beschützen. Auch eine mächtige Kriegerin, ausgestattet mit der Macht eines ganzen Volkes, wie sie es war, brauchte Schutz, das wusste die Göttin durch Ameran, die ihr den wahren Grund für den Schutz mitgeteilt hatte, von dem Soei Arman Deran jedoch nichts wußte und nach dem Willen ihrer Schwester auch nie erfahren sollte.

Sie konnte die, die sie am meisten geliebt hatte, nicht beschützen. Dieser Gedanke quälte die Kriegerin immer wieder. Immer wieder rang sie auf ihrem Weg nach Avalon ihre Tränen nieder. Wann immer sie sah, wie ihr und ihrer Schwester Ehre erwiesen wurde, die verschiedensten Wesen sich auf ein Knie begaben, ihre Köpfe senkten, eine Hand oder Faust auf ihr Herz legten, traten ihr die Tränen in die Augen. Es zerriß ihr mit jedem Mal mehr das Herz und sie sah starr auf das silberne Emblem ihres Umhangs, unter dem der Körper ihrer Schwester verborgen war.
Sie kannten sie nicht, wußten nichts über sie und doch erwiesen sie ihnen beiden, doch am meisten ihrer Schwester die Ehre. Eine Ehre, die sie verdient hatte, denn sie hatte Soei Arman Deran erst zu dem gemacht, was sie war. Eine Kriegerin, die mit Respekt und Achtung, mit der Liebe und Güte ihrer Schwester, für alles Leben eintrat und es schützte. Ihre Schwester war immer warm und freundlich zu ihr gewesen. Sie hatte sich stets im Hintergrund gehalten, war stets in ihrer Nähe, um im Fall des Falles für sie da zu sein, ohne sich ihr aufzudrängen. Obwohl sie Macht über ihre kleine Schwester besaß, hatte sie diese nie genutzt. Die große Kriegerin wurde von ihrer großen Schwester auf eine Weise beherrscht, wie es kaum jemand verstand oder verstehen konnte.
Es war nicht die Macht über sie, sondern die Liebe zwischen ihnen, die sie schließlich verändert und die Freiheit die ihr ihre Schwester gegeben hatte. Eine Freiheit selber herauszufinden was das Richtige oder das Falsche war, herauszufinden, was ihr eher lag, wer sie wirklich war. Ameran hatte sie so vieles gelehrt und hätte sie noch so vieles mehr lehren können.
Schließlich standen sie vor den Toren Avalons. Die Göttin sah sie mit einem sanften, mitfühlenden Blick an. Arman Deran senkte leicht den Kopf und schloß kurz die Augen, als man ihr den Körper abnehmen wollte. Sie weigerte sich, den Körper ihrer Schwester loszulassen. Die Göttin stand ruhig zwischen den verunsicherten Priesterinnen und Soei Arman Deran, ihrer Kriegerin. „Es ist in Ordnung. Du kannst ihnen den Körper deiner Schwester anvertrauen. Ihm wird nichts geschehen. Das verspreche ich dir.“, sprach die Göttin mit sanfter Stimme zu ihr. Sie schluckte hart ließ es dann aber zu, daß man ihr den Körper abnahm und in einen Raum in den Tempel trug. Die Göttin sah zu den Drachen. „Ihr könnt jetzt gehen.“ Astarias senkte seinen Kopf gefährlich nahe an den Kopf der Göttin. „Wir bleiben! Wir sind nicht deine Haustiere oder von dir geschaffene Geschöpfe, über die du befehlen kannst, wie es dir beliebt. – Wir bleiben, bis sie etwas anderes sagt, denn wir trauen dir nicht. ICH traue dir nicht.“ Die Göttin merkte wohl, daß sie einen Fehler gemacht hat. „Gut, dann bleibt. Doch wir haben kein Nutzvieh, das wir euch anbieten können.“ Wieder senkte der älteste Drache seinen Kopf, als wolle er gleich zu stoßen oder sie mit einem Biß verschlingen wollen. „Wir sind keine Fleischfresser.“ Soei Arman Deran entschied sich, daß es nicht ihr Disput war. Sie ging an der Göttin vorbei, zu dem Tempel, in den man ihre Schwester gebracht hatte, betrat ihn. Kurz sah sie sich um. Vor einer Tür der Säulen bewehrten runden Halle standen zwei Garden in ihrer Ehrenuniform. Sie vermutete, daß in diesem Raum der Körper ihrer Schwester gebracht worden war, denn vor keiner anderen Tür standen Garden. Sie ging auf den Raum zu. Einer der Garden öffnete ihr die Tür und ließ sie eintreten. Sein Blick war voller Mitgefühl. Als sie an ihnen vorbeiging, neigten sie respektvoll ihre Köpfe.
Der Körper ihrer Schwester war auf einem Tisch aufgebahrt. Noch immer lag ihr Umhang über ihrem Körper. Sie ging zu ihm und schlug ihn so weit zurück, daß sie den Kopf sehen, das Gesicht betrachten konnte. Ihr Blick war beinahe zärtlich, doch die Trauer und Qual ob ihres Versagens erstickte sie. Wie konnte sie andere beschützen, wenn sie nicht in der Lage gewesen war ihre eigene Schwester zu beschützen, die sie geliebt hatte? Mit einer Hand berührte sie sanft das Gesicht Amerans. Ihr war, als würde sie jeden Moment die Augen aufmachen, sie mit einem ihrer liebevollen Blicke ansehen und fragen, was los sei. Ihr Herz verkrampfte sich, ihr Kehlkopf arbeitete und Tränen traten in ihre Augen. Durfte ein Wesen überhaupt so viel für jemanden empfinden, der aus dem gleichen Blut wie sie selbst war? In ihrem Volk war es normal, doch hier war es – je nachdem in welches Gebiet man kam – anders. Die einen tolerierten es, die anderen reagierten mit Abscheu. Was war nun richtig? „Richtig, meine Kriegerin, ist das was du als richtig empfindest und nicht das, was andere als richtig empfinden.“ Soei Arman Deran drehte leicht ihren Kopf, und sah schweigend zu der Tür in der die Göttin stand, die schließlich hereintrat und die Tür hinter sich schloß. „Niemand, kann dir vorschreiben, was richtig oder falsch ist. Das mußt du für dich selber entscheiden. – Du hast deine Schwester geliebt, wie sie dich. Sie hat dich stets mit Respekt und Würde behandelt. Eure Liebe war von einer Art, wie es sie nur selten in diesem Universum zwischen zwei Wesen gibt, egal ob sie gleichen Blutes sind, oder verschiedenes in sich tragen. Liebe macht nicht vor der Blutlinie oder einem Verwandtschaftsgrad halt. Wahrer, aufrichtiger Liebe ist es egal, was die Herkunft eines Wesens anbelangt. Sie fragt vorher nicht nach, ob man das gleiche Blut in sich trägt oder nicht. Liebe ist ganz einfach ohne zu fordern oder zu verlangen. – Es ist eure Liebe, die euch stark gemacht hat. Eure besondere Liebe zueinander, nicht die von anderen. Andere werden es nie verstehen können, denn sie werden nie eine solche Liebe erfahren. Nur die, die sie selber erfahren haben, können euch wirklich verstehen. Eure Liebe war von einer Art, wie sie selten vorkommt. Und deswegen wird sie oft auch falsch verstanden und gesehen. Wichtig ist doch nur, wie du und deine Schwester miteinander umgegangen seid. Deine Schwester hat dich geliebt und du hast ihre Liebe erwidert.“ Die Göttin kam langsam näher. „Ich weiß nicht viel über dich oder dein Volk, doch das, was ich weiß, sagt mir, daß es selbst bei deinem Volk, dem Volk des Lichts, eine Liebe dieser Stärke mit dieser Verbundenheit eine Seltenheit und etwas Besonderes ist. Deine Schwester, Arman Deran, hat dich zu dem gemacht, was du bist. Ihre Liebe hat dich stark gemacht.“ „Was willst du von mir?“, entgegnet die Kriegerin kühl. Die Göttin blieb stehen. Die Kriegerin war wachsam und folgte jeder Bewegung dieser Frau, die sich selbst eine Göttin nannte. Sie traute ihr nicht. Nicht im Moment. Sie sah nur die Hülle ihrer Schwester in Gefahr. Instinktiv machte sie sich für einen Angriff bereit. „Du willst die Atlanter bekämpfen?“ Die Kriegerin sah die Göttin schweigend, abwartend an. „Dann brauchst du eine bessere Waffe, ein besseres Schwert. Ein Schwert das die Elemente dieses Planeten in sich trägt. Dein Schwert mag mächtig sein, aber es hat keine Verbindung zu diesem Planeten.“ Die Hünin legte den Kopf leicht schief und deutete an, daß sie langsam die Geduld verlor. „Tief in den Bergen Iridans leben sehr gute Zwergenschmiede.“ (Zwerge? Was sind Zwerge?) Die Göttin lächelte leicht gezwungen. „Zwerge sind kleine Humanoiden.“ „Kinder.“ „Nein, Erwachsene nur in der Größe von Kindern. – Meister Grimbart ist einer ihrer besten Schmiede. Er wäre bereit dein Schwert – sagen wir – ein wenig aufzurüsten.“ „Ich habe nicht vor zu kämpfen oder zu töten. Ich will nur den oder die Mörder meiner Schwester.“ „Und wenn es die ganze Stadt ist? Wenn es alle Bewohner von Atlantis sind, die deine Schwester getötet haben? Kein Atlanter verrät einen anderen Atlanter. Sie halten zusammen, egal, ob sie dasselbe Blut in sich tragen oder nicht.“ Arman Deran preßte ihren Kiefer aufeinander. „Dann soll es so sein.“ „Ja, dann soll es so sein. Denn es gibt nicht einen Atlanter der nicht an ihrem Tod beteiligt ist. Sie wußten von ihrer Gefangenschaft.“ „Wie du auch. Doch du hast vorgezogen es mir zu verschweigen.“ Die Göttin schwieg einen Moment. Das war der Moment, den sie selber gefürchtet hatte. Ihre Worte, die sie dann sprach, wählte sie vorsichtig und mit Bedacht: „Ich habe nicht die Macht, den Lauf der Geschichte zu ändern, meine junge Kriegerin. Selbst, wenn ich es dir gesagt hätte, an dem Verlauf der Ereignisse hätte sich nichts geändert. Deine Schwester wäre nur früher getötet worden. Der Ausgang wäre derselbe gewesen.“ Die Göttin wirkte traurig. „Wenn ich es hätte abwenden und dir damit den Schmerz hätte ersparen können, ich hätte es getan, doch so tat ich was ich konnte, um dich an mich zu binden und für dich das Schlimmste zu verhindern. Ich weiß, ich werde deine Schwester niemals ersetzen können, doch ich kann dich auf meine Art schützen und das, ist der einzige Grund, weswegen ich dich zu meiner ersten und einzigen Kriegerin gemacht habe. Für dich wird sich nichts ändern, außer daß du jetzt die einzige deiner Art, deines Volkes, deiner Rasse bist. – Ich verspreche dir, das wir gut auf den Körper deiner Schwester achten und ihn mit dem Respekt und der Würde behandeln und bestatten, der ihr zusteht.“ Die Kriegerin trat auf die Göttin zu. Ihr Gesicht war dicht vor dem Gesicht der Göttin. „Tust du es nicht, wirst du dir wünschen, mir nie begegnet zu sein. Meine Schwester war alles für mich. Sie war mein Leben, mein Herz, meine Seele!“ „Ich weiß. – Du kannst gerne dabei sein, wenn wir ihren Körper für die Zeremonie vorbereiten.“, entgegnete die Göttin ruhig. „Ich werde sie keinen Augenblick aus den Augen lassen.“ „Das steht dir auch zu. Niemand wird dieses Recht verweigern. – Zwei Priesterinnen werden den Körper deiner Schwester waschen und in saubere Gewänder kleiden. Mehr werden sie nicht tun.“ Die Göttin warf einen Blick auf das Gesicht Amerans. „Ihr seht euch sehr ähnlich.“ Sie sah betrübt aus, dann verließ sie den Raum. Arman Deran verengte kurz die Augen. Ihr Instinkt sagte ihr, daß sie noch mehr verschwieg, als nur Amerans Gefangenschaft.
Etwas später am Tag kamen zwei Priesterinnen mit Wasserschalen in den Armen. Sie nahmen den Umhang und legten ihn sorgsam zusammen, bevor sie Ameran von ihrer Kleidung befreiten. Arman Deran senkte den Kopf, als den geschundenen und schwer verletzten Körper ihrer Schwester sah. Dann legte sie eine Hand vor ihr Gesicht und wandte sich schließlich ab. Sie ertrug den Anblick des ihr einst so vertrauten Körpers nicht. (Schwester.) Wieder stiegen ihr die Tränen in die Augen, die sie niederrang. Sie sah verzweifelt durch das offene Fenster zu dem klaren Himmel.
Nachdem sie Amerans Körper gewaschen und mit neuer Kleidung gewandet hatten, legten sie den Umhang bis zu ihrem Hals wieder über sie und ließen Arman Deran wieder mit der Hülle ihrer Schwester alleine. Bevor sie den Raum leise verließen, sahen sie noch einmal voller Mitgefühl auf die große hellhäutige Kriegerin, der ihr Kummer zu schaffen machte.
Sie hatte nie gelernt … Sie betrachtete ihre Schwester mit einem qualvollen Blick. Stumme Tränen rannen über ihr Gesicht. Ihr Herz zerriß bei ihrem Anblick. Sie fühlte sich alleine und hilflos. Sie hatte so viel Macht, doch das Leben ihrer Schwester konnte sie nicht retten. Zweifel überkamen sie. Zweifel, die Ameran immer zerstreut hatte. Sie hatten so manche Diskussion geführt, die Ameran immer mit Gleichnissen ausführte. So lange bis ihrer kleinen Schwester die Argumente ausgegangen waren oder sie begriffen hatte und ihre Zweifel sich auflösten. Ameran war ihr näher gewesen, als ihr je ein anderes hätte Wesen sein können. Sie kannten einander gut. Ihre große Schwester kannte sie nur ein wenig besser, als sie sich selbst. Manchmal ärgerte sie das, denn sie konnte nichts vor ihr verbergen. Sie teilten so viel miteinander, nur eines nicht. Es war ihnen nicht verboten, aber es war in ihren Augen weder richtig noch erschien es Ameran sinnvoll. Sie wollte diese Kette zerbrechen, sich nicht den alten Gesetzen fügen. Sie hatte nichts dagegen ihre kleine Schwester zu führen, ganz im Gegenteil, wenn sie es so schaffte, ihre kleine Schwester aus den Händen und den dunklen Machenschaften zu holen. Aber nicht, in dem sie ihr etwas aufzwang, was sie selber nicht wollte. Liebe nannte sie es und sah es als etwas vollkommen Normales, während Arman Deran Schwierigkeiten damit hatte, wie sie für ihre Schwester empfand und es zu bekämpfen versuchte. Ameran hatte sie schließlich gelehrt, mit dem umgehen und akzeptieren zu können, was und wie sie für ihre große Schwester empfand. Sie verlangte nie etwas oder erwartete, daß ihre kleine Schwester etwas tat, was sie selber nicht wollte. Sie waren stets respektvoll miteinander umgegangen.
Soei Arman Deran setzte sich neben ihre Schwester und erinnerte sich an die lange Zeit, die sie miteinander hatten. An das, was sie ihr gegeben hatte und an die Leere und Kälte in ihrem Herzen, die ihr Tod hinterlassen hatte.

Die Zeremonie sollte in dem Tempel stattfinden. Da die Drachen jedoch nicht in den Tempel konnten, entschied sich die Göttin für einen weiten Platz außerhalb, wo die Drachen an der Zeremonie teilhaben konnten. Es wäre unklug, sich diese uralten Geschöpfe zu einem Feind zu machen. Es war besser, sie als Verbündete auf ihrer Seite zu wissen.
Acht Garden in Ehrenuniform kamen in den Raum um die Hülle ihrer Schwester zu holen. Es waren die gleichen, die sie bis vor die Tore Avalons geleitet hatten. Arman Deran hätte sie auch selber getragen, doch die Göttin hatte ihr erklärt, wieso sie es nicht tun sollte, nicht tun konnte. So blieb ihr nichts anderes übrig, als den Gardisten zu folgen, die ihre Schwester in stiller Ehrfurcht trugen. Bevor sie kamen, um ihre Schwester zu holen, hatte sie ihre Rüstung angelegt, die ihr eine Priesterin kurz vorher gebracht hatte. Ehre, wem Ehre gebührt, dachte sie.
Es kostete Soei Arman Deran sehr viel Kraft und Selbstbeherrschung nicht in die Knie zu gehen, zu weinen und den Arm nach ihrer Schwester rufend auszustrecken, als die Fackel an den Holzstoß gelegt wurde. Jemand stand neben ihr, der sie sanft aber bestimmt zurückhielt, als die Flammen aufstiegen und sich ausbreiteten. Arman Derans Herz zerriß und brach vor Schmerz. Sie biß die Zähne zusammen und schloß die Augen. Doch all ihre Selbstbeherrschung, Disziplin und Kontrolle war vergebens. Der Schmerz war einfach zu viel für sie, als die Flammen den Körper ihrer Schwester einschlossen. Sie wollte zu ihr, sie vor den Flammen retten. Doch sie konnte nicht. Sie wurde zurück und von starken Händen sanft festgehalten.
Es war das einzige Mal, daß man die große Kriegerin mit einem ausgestreckten Arm nach ihrer Schwester rufend in die Knie gehen sah und das letzte Mal, das man diese große Kriegerin um jemanden weinen sah.

Die Person neben ihr war mit ihr in die Knie gegangen und hatte sie in den Arm genommen. Sie hatte ihren Kopf an ihren Oberkörper gedrückt und sie so fest gehalten wie sie nur konnte. Dabei sah sie vorwurfsvoll zu der Göttin, die ihrem Blick ruhig begegnete, bevor sie sich wieder um die junge Kriegerin kümmerte.
Wer auch immer diese Person, das Wesen war, das sie ihm Arm gehalten hatte, Soei Arman Deran konnte sich selbst viele Umdrehungen des Planeten später nicht an ihr Gesicht und die darauf folgenden Tage erinnern. Sie wußte nur, daß es eine Frau gewesen war, die sie ermutigte ihren Schmerz raus zu lassen und zu weinen, die eine erstaunliche Kraft gehabt hatte mit der sie es schaffte sie festzuhalten. Irgendwie, und da war sich Arman Deran sicher, hatte auch sie geweint. Was in den darauf folgenden Tagen gewesen war, nach dem Amerans Körper den Flammen übergeben worden und ihr eigenes Herz gebrochen war, daran fehlte ihr jegliche Erinnerung. Doch auch da war sie sicher, daß diese Frau an ihrer Seite war und ihr half, so gut sie es vermochte und sie vor dem Wahnsinn bewahrt hatte, der ihr durch den Verlust Amerans gedroht hatte. Ameran hatte die Verbindung zu ihr gelöst, so hatte sie diese doch nicht ganz lösen können. Sie waren über eine sehr lange Zeit so eng miteinander verbunden gewesen, daß niemand diese Verbindung zu trennen vermochte, auch ihre Schwester nicht. Auch, wenn Ameran bei den Ahnen war, sie waren für immer miteinander verbunden. Wer auch immer diese Frau gewesen war, sie hatte ihr geholfen.
Arman Deran erinnerte sich nur ganz vage an Worte, die sie zu ihr gesprochen hatte. Sie hatte ihr erklärt, daß sie Ameran nicht hätte retten können. „Sie ist nicht wie du. Nur eure eigene, andere Physiognomie hat sie nicht sofort getötet. Jeder andere Humanoid wäre sofort gestorben.“ Jemand hatte ihr über den Kopf gestrichen, so wie es ihre Schwester immer getan hatte, als sie noch da war. Dann sagte sie, das Ameran nicht für immer weg war, das sie nur eine andere Form habe. „Ihr werdet einander wieder finden. Glaube mir, meine Kleine, ihr werdet einander wieder finden. Und wenn es an der Zeit ist, werdet ihr einander erkennen, denn ihr seid miteinander verbunden. Euch kann nichts und niemand trennen. Keine Macht dieser oder einer anderen Welt ist dazu in der Lage, dieses Band zwischen euch zu durchtrennen. Ihr werdet vielleicht nicht mehr Schwestern sein, doch bin ich mir sicher, daß euch das Blut immer wieder verbinden wird. Sie wird dich finden, Arman Deran. Egal wo du bist, sie wird dich suchen, wie du sie und sie wird dich finden. Sie wird nie aufhören, dich zu suchen, bis sie dich gefunden hat.“ Aus irgendeinem Grund hatte diese Frau ihr aus der Dunkelheit geholfen, in der sie sich befunden hatte und zurück an das Licht geführt. Aber wieso sie sich nicht an sie und die darauf folgenden Tage erinnern konnte, verstand sie nicht. Es schien, als seien sie aus ihrer Erinnerung gelöscht worden.

Der Mord an Ameran hatte sie verändert. Auch, wenn sie ihr Herz nicht mehr spürte, wäre ihre Schwester doch stolz auf sie, denn den Weg, den Ameran ihr gezeigt hatte, hatte sie nie verraten.
Der Himmel war von Wolken verhangen, als drei Wesen auf Pferden mit einer Frau in weißsilberner Rüstung an der Spitze den Hang erreichten. Auf der Brust der Rüstung war ein blaues Emblem zu sehen. Sie stiegen nach ihr ab und sahen sie abwartend an.
Die große Frau trat langsam an den Rand des Hanges, von wo sie alles überblicken konnte. Ihr Pferd schien ihr ergeben zu folgen. Ihr blauer Umhang flatterte im Wind. Sie waren weit oberhalb des Landes, denn von hier hatten sie die beste Möglichkeit, sich eine Übersicht zu verschaffen.
Ruhig stand sie dort. Mit unbewegter Miene sah sie über das weite und wilde Land. Ihre strahlenden, seltsamen blauen Augen lagen in einem schmalen, langen Gesicht mit den Zügen einer Elfe. Und doch war sie keine Elfe. Wer sie war, wußte niemand genau zu sagen – und die, die es wußten, schwiegen, um sie zu schützen und zu beschützen.
Ihre Rüstung lag an ihr wie eine zweite Haut. Ihre sandfarbenen Haare lagen offen auf ihrem Rücken und verstärkten ihre Gesichtszüge, die so edel und erhaben wirkten, wie sie selber. In ihrer Hand hielt sie locker die Zügel ihres Hengstes. Die Entschlossenheit spiegelt sich in ihren Augen ebenso wider, wie sie in ihrem Gesicht zu sehen war. „Bist du soweit, Herrin?“ Ihr schwarzer Hengst stieß sie sanft in den Rücken. Sie drehte sich um und legte eine Hand auf seine Stirn und streichelte ihn sanft mit dem Blick zum Horizont. „Bald, mein Freund. Hab noch ein wenig Geduld.“ Unter ihr zog langsam ein Heer vorbei, dessen Größe sie noch nicht mal abschätzen konnte. Ein Heer von dieser Größe hatte diese Welt noch nie gesehen und würde diese Welt auch nie wieder sehen. Ein blonder Mann in schwarzem Leder gekleidet und zwei gekreuzten Schwertern auf dem Rücken trat neben sie. „Ein atemberaubender Anblick.“ „Ja. Mir wäre es lieber, wir müßten all das nicht tun. Mir wäre es lieber, es würde niemals mehr Blut fließen, egal welcher Art oder Rasse. Jedes Leben ist wertvoll mein Freund. Und wir sollten es immer schätzen und achten. Wir sollten es schützen und nicht nehmen.“ Sie sah wieder runter. „So viele, die deinem Ruf gefolgt sind.“ „Wenn ich doch nur nicht dazu gezwungen worden wäre. Aber wir müssen dem ein Ende bereiten – und manchmal, haben auch die, die am Friedlichsten sind, keine andere Wahl, als für das zu kämpfen, woran sie glauben.“ Große dunkle Schatten zogen über das Land. „Auch sie sind deinem Ruf gefolgt.“ Sie sah hoch und lächelte traurig. „Ja, auch sie.“ Die Drachen flogen über sie hinweg. Ein goldgrüner Drache stieß auf sie zu. Er hielt in der Luft vor ihr und schwang mit seinen mächtigen Schwingen. Sie neigte ihren Kopf respektvoll und berührte mit einer Hand seinen großen Kopf zwischen seiner Nase. Auch er nickte kurz und schwang sich wieder hoch in die Lüfte zu den seinen. Sie sah ihm traurig hinterher. „So viele Leben die vergehen werden. So viele Herzen, die nie wieder schlagen werden. So viel Blut, das nie hätte vergossen werden dürfen. Und das alles nur, um einen Traum zu beschützen und zu bewahren.“ Das Heer schien endlos zu sein. In allen Gesichtern sah man den Ausdruck, der in ihrem Gesicht lag. „Komm, mein Freund. Es ist Zeit.“ Sie umfaßte die Zügel fester und zog ihren Hengst näher zu sich. Elegant schwang sie sich in den Sattel. Ihr folgte der blonde Hüne, der nie von ihrer Seite zu weichen schien und ein schwarzhaariger Elf, der stets ein Lachen in den Augen zu haben schien. Ihm folgte ein Wolf mit schneeweißem Fell. Sie wendete ihren Hengst mit einem letzten Blick auf das nicht enden wollende Heer und ritt langsam flankiert von dem Elfen und dem blonden Hünen den Berg hinunter von dem sie sich einen Überblick über das Heer und die Wesen verschaffte, die ihr folgten.
So weit wie das Auge sehen konnte, glänzten und blitzen Rüstungen und Fahnen auf, die hoch in die Luft gestreckt waren, als wären sie der Stolz des gesamten Heeres. Sie zeigten die Herkunft, das Haus, die Götter oder wem auch immer sie angehörten und wen auch immer sie repräsentierten.
Sie hatte von ihrem Platz aus gesehen, wie sich vermehrt blaue Flaggen mit dem silbernen Emblem, der Beschützerin ihres Volkes, aufrichteten. Sie folgten ihrem Ruf und waren bereit für sie und mit ihr zu kämpfen. Sie folgten ihr und ihrem Traum von einer friedlichen und besseren Welt, in der es sich für jeden zu Leben lohnte, egal wie groß oder klein er war.
In ihrem Gesicht sah man nichts weiter als die Entschlossenheit der mächtigsten Kriegerin, die diese Welt je gesehen hatte. Niemand sah auch nur je eine Regung in ihrem Gesicht. Sie hatte einen Gesichtsausdruck bar jeder Emotion. Nur ab und zu tauchte etwas auf, das an eine blasse Spiegelung von Empfinden erinnerte. Es war, als sei ihr Gesicht aus Stein, oder als habe sie keine Emotionen und Gefühle.
Als sie den Weg hinunter ritten, wurden mehr und mehr blaue Fahnen mit dem silbernen Emblem der Herrin erhoben. Sie ritten langsam, damit jene, die zu Fuß gingen, nicht den Anschluß verloren und auch jene, die nach kamen noch Anschluß fanden.
Sie hatten von ihrem erhobenen Aussichtspunkt gesehen, daß der Strom derer, die sich ihr anschlossen, noch lange nicht versiegte. Viele Berittene und viele zu Fuß gliederten sich in das Heer ein.
Einige, die Eltern waren, würde sie wieder zurück schicken müssen, zu mindestens einen Elternteil, wenn beide sich dem Heer anschlossen. Sie konnte nicht verantworten, daß die Kinder zu Waisen wurden. Viele hatte sie schon zurück geschickt. Sie hatte nie eine Mutter gehabt, aber eine Schwester, die ihr alles war, Mutter, Schwester, Freundin, Ratgeberin … Sie war ihr immer genau das, was sie gerade brauchte. Den Kindern wollte sie ihr eigenes Schicksal ersparen. Ihnen sollte wenigstens ein Elternteil erhalten bleiben.

Sie bogen um die letzte Kurve des Berges und warteten auf eine Lücke, die sich ihnen bot, um an dem Heer vorbei an die Spitze zu reiten, die eine Weile auf sich warten ließ. Sie ließ ihren Hengst Sturmwind sich einmal um sich selbst drehen, damit er etwas zu tun hatte. Das zu lange Stehen bekam ihm einfach nicht.
Sie hatte nie einen Krieg oder gar einen Kampf gewollt, hatte stets nach einem anderen Weg, einer anderen Möglichkeit gesucht, doch durch den Mord an ihrer Schwester, haben sie ihr nicht nur einen Kampf, sondern auch einen Krieg aufgezwungen, der nicht der ihre war. Sie führte diesen Krieg nicht, weil die Göttin sie darum gebeten hatte ihr Schwert zu sein, sondern ganz alleine für ihre Schwester und den Mord an ihr, den sie nie vergessen konnte. Sie hatte nie den Anblick vergessen, der sich ihr bot, als sie ihre Schwester vor den Mauern Atlantis liegen sah.
Nein, sie hatte diesen Krieg nie gewollt. Er war nie der ihre, bis sie ihre Schwester Ameran gefangen genommen, gefoltert und auf eine bestialische Weise getötet hatten. Das war etwas, was Soei Arman Deran ihnen weder verzeihen noch vergeben konnte. Auch ihre Güte hatte Grenzen, nicht nur ihre Macht.
Das, was Ameran sie gelehrt hatte, bewahrte sie sich so gut sie konnte. Sie sammelte gute Wesen um sich, die sie auf eine gewisse Art leiteten und darauf achteten, daß sie nie fehlging, auch wenn ein paar sehr seltsame Gestalten unter ihnen waren. Wie der blonde Hüne, der ihr nicht von der Seite wich.
Sie hatte gerufen, und sie waren alle – ohne Ausnahme – ihrem Ruf gefolgt. Hoch oben am Himmel zogen die Drachen ihre Kreise oder warfen ihre großen Schatten über das Land, wenn sie tiefer flogen und über das gewaltigste Heer hinweg glitten, das diese Welt je gesehen hatte. Und sie alle waren nur dem Ruf eines einzigen Wesens gefolgt, das sich langsam von dem Hang entfernte, um sich wieder an die Spitze des Heeres zu setzen – ihrem. Sie waren nicht dem Ruf eines Gottes oder einer Göttin gefolgt – sondern nur ihrem!
Lange hatte Arman Deran sich zurück gehalten, beobachtet und abgewartet. Hätten sie ihre Schwester nicht getötet, wäre all das niemals geschehen. Sie hätte sich niemals eingemischt. Sie wollte – wie all die anderen Wesen auch – nur in Ruhe und Frieden leben. Daß sie mit ihrer Tat einen Fehler begangen hatten, dürften sie wohl zu spät gemerkt haben, wenn sie es überhaupt gemerkt hatten. Bei der Vermessenheit und Arroganz, die diese Atlanter an den Tag legten, hegte sie da so ihre Zweifel, vermutlich sogar berechtigte. Sie glaubte nicht daran, daß die Atlanter je aus ihrer eigenen Dummheit und ihren eigenen Fehlern lernen würden. Sie würden dieselben dummen Fehler wieder und wieder machen. Das so lange bis auch der Letzte von ihnen an der eigenen Dummheit zugrunde gehen würde. Sie hatte hinter die Maske sehen können. Doch das, was sie gesehen hatte, hat ihr nicht gefallen.
Sie sah hoch zu dem bewölktem Himmel. Über ihr lag der Schatten des goldgrünen Drachen, der zu ihr runter sah. Auch sie waren miteinander verbunden, doch auf eine andere Weise, als sie es mit ihrer Schwester war. Navos hatten sie in der Höhle zurückgelassen, was sie sehr gut verstehen konnte. Ihre eigenen Ziehkinder hätte sie auch lieber in Sicherheit gewußt, als in den Reihen des Heeres. Doch sie waren alt genug, um selber zu entscheiden, was sie wollten – und sie mußte ihre Entscheidung respektieren, auch wenn es ihr schwer gefallen ist
Sollten die großen Drachen fallen, sollte es wenigstens noch einen ihrer Art geben, der ihre aller Geschichte weiter erzählen konnte.
Arman Deran nickte dem goldgrünen Drachen zu, der seinen Kopf wieder hob und davon glitt, einen Bogen flog und zurückkehrte. (Ich will keine Rache. Rache war nie mein Weg. Ich will Gerechtigkeit. Ich will nur Gerechtigkeit für den Mord an meiner Schwester. Ich habe diesen Krieg nie gewollt. Es war nie der meine. Schwester. Ich kann nicht vergessen und ich werde nie vergessen, was sie dir angetan haben.) Ihr Blick ging zu dem von Wolken verhangen Himmel hoch durch die vereinzelte Strahlen der Sonne drangen. Es war derselbe Blick, wie an jenem Tag, als sie den Körper ihrer Schwester auf ihre Arme nahm und noch einmal die Mauer von Atlantis hoch sah. Sie würde ihr Versprechen halten, so, wie sie es immer getan hatte. Denn ihr Wort, war Gesetz!


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